Jeder Mercedes-Benz ist auch eine Art Zeitkapsel. Ein Klassi­ker versetzt in frühere Zeiten. Ein aktuelles Modell fährt in der Gegenwart. Und mit einem Fahrzeug in Entwicklung geht es in Richtung Zukunft. Diese Zukunftszeitreise startet im Jahr 2002. Die Arbeit am C 216 wird gerade aufgenommen. Das künftige Oberklasse-Coupé soll 2006 auf den Markt kommen – und wird in allen Disziplinen herausragend sein: Komfort, Design, Sicherheit, Fahrverhalten. Sicher eines der besten Coupés der Welt.

„Der C 216 sollte den bereits vorzüglichen Vorgänger C 215 übertreffen: noch mehr Komfort und Sicherheit bieten und bei ge­wachsenen Dimensionen mindestens genauso dynamisch sein wie dieser“, sagt Frank Knothe, 80, von 1966 bis 2006 bei Mercedes-Benz, vor 20 Jahren verantwortlich für die Entwicklung Gesamt­fahrzeug. Peter Pfeiffer, 78, nickt zustimmend. Er hat als Bruno Saccos Nachfolger von 1999 bis 2008 das Design aller Mercedes-Benz Modelle verantwortet. „Wichtig war, dass das Fahrzeug bei Auftritt, Status, Emotion und Faszination den Anspruch von Mercedes-Benz verkörpert, neben der S-Klasse das nächste Topmodell der Marke zu sein“, schildert er. „Design ist immer der wichtigste Botschafter der Marke.“

„Meine Aufgabe als Design-Chef war es, die Zukunft der Marke zu gestalten.“

Professor Peter Pfeiffer.

Von 1999 bis 2008 leitete er den Design-Bereich der Daimler AG und der vorherigen DaimlerChrysler AG. Das umfasste sämtliche Mercedes-Benz Fahrzeuge: Personenwagen, Transporter, Lastwagen, Omnibusse. „Das Design ist der stärkste Botschafter für die Marke in der Öffentlichkeit“, sagt Pfeiffer. „Außerdem ist es zum entscheidenden Faktor für Kaufentscheidungen geworden.“ 1968 stieß er zum Unternehmen. Der CLS, der SLS AMG, die S-Klasse der Baureihe 221 und die C-Klasse der Baureihe 204 gehören zu seinen letzten Highlights.

Zeitreise: Frank Knothe (links im Bild) und Peter Pfeiffer tauchen tief in die Entstehungszeit des C 216 ein, die vor genau 20 Jahren begann.

Markante Linien.

Der Blick beider fällt auf einen CL 500 4MATIC in der Lackierung designo graphit. Die Baureihe C 216 bietet bis heute ein fantastisches Fahrzeug mit markanten Linien und ruhigen Flächen im Wechselspiel, mit starker Ausdruckskraft und souveräner Ruhe, sind sich Knothe und Pfeiffer einig.

Mit wenigen Schritten sind beide beim Auto. Die Freude über ein Wiedersehen mit dieser Baureihe steht beiden ins Gesicht geschrieben. Ihre kundigen Blicke gehen in alle Richtungen des Interieurs, die Hände streichen über die edlen Materialien und legen sich auf das Lenkrad.

 „Ja, es ist ein Mercedes-Benz“, sagt Pfeiffer, und sein Tonfall verrät, dass das nicht einfach eine banale Feststellung ist, sondern ein emotionaler Satz aus berufenem Mund. 

Der Designer ist zufrieden: „Jede Baureihe muss ab ihrer Premiere halten, was Mercedes-Benz verspricht. Und das nicht nur wenige Jahre, sondern eine sehr lange Zeit. Schön, in diesem Auto wieder einmal zu erleben, dass es wirklich funktioniert.“

Zwei Macher der Marke und zwei Biografien: Wie Frank Knothe seine frühere Tätigkeit beschreiben würde? „Da kann ich Professor Hubbert zitieren, der meine Aufgabe mal so beschrieben hat: ‚Er ist verantwortlich dafür, dass das Auto so fährt, wie es fährt.‘“ Und Peter Pfeiffer? „Meine Aufgabe als Designer war es, die Zukunft der Marke zu gestalten.“

Der Blick beider fällt auf einen CL 500 4MATIC in der Lackierung designo graphit. Die Baureihe C 216 bietet bis heute ein fantastisches Fahrzeug mit markanten Linien und ruhigen Flächen im Wechselspiel, mit starker Ausdruckskraft und souveräner Ruhe, sind sich Knothe und Pfeiffer einig. Mit wenigen Schritten sind beide beim Auto. Die Freude über ein Wiedersehen mit dieser Baureihe steht beiden ins Gesicht geschrieben. Ihre kundigen Blicke gehen in alle Richtungen des Interieurs, die Hände streichen über die edlen Materialien und legen sich auf das Lenkrad.

Die Experten sind sich einig: Selbst 16 Jahre nach der Premiere des C 216 ist das Fahrzeug noch so attraktiv wie damals.

Die neue Zeitkapsel.

Ein Blick auf die Zukunft der Oberklasse, wie sie sich im Jahr 2002 abzeichnet: Mercedes-Benz steckt mitten in der Entwicklung der neuen S-Klasse. Sie wird von Grund auf neu entwickelt, was daher schon 1998 begonnen hat – nach der Baureihe 220 ist vor der Baureihe 221. Deren Weltpremiere ist für das Jahr 2005 festgelegt. Der Luxuslimousine soll wieder ein Coupé zur Seite gestellt werden. Festgelegtes Premierenjahr ist 2006, ein Jahr später also. Die Planer rechnen zurück: Da sich das Coupé die Basis und viel Technik mit der Limousine teilen wird, veranschlagen sie vier Jahre für dessen Entwicklung. Somit fällt der Startschuss für den C 216 im Jahr 2002. 

Alle Bereiche beginnen mit ihrer Arbeit und steigen damit zugleich in die neue Zeitkapsel. Sie besteht zunächst lediglich aus Eckdaten. „Da das Coupé die Bodengruppe der S-Klasse mit einem um 80 Millimeter verkürzten Radstand übernommen hat, standen wichtige Grundmaße fest“, erinnert sich Knothe. Auf dieser Basis erstellt das Team um Pfeiffer erste Design-Entwürfe und möglichst zügig Modelle: Das Coupé erhält sein Aussehen, das neue Produkt wird optisch und emotional begreifbar. „Unser Job war es, dem Vorstand zu vermitteln, wie die Welt 2006, also in drei, vier Jahren aussehen könnte, damit dieser mit vollem Vertrauen entscheiden kann: So, wie der C 216 auf den Markt kommen wird, ist er genau das richtige Produkt zur richtigen Zeit. Aber auch alle anderen Beteiligten sollen sich auf dieser Zeitreise wohlfühlen. Es galt, jeden in der gesamten Kette mitzunehmen.“

Signaturen: Beide Macher geben dem CL 500 4MATIC ihre Unterschrift – Eigner Mario Darok bat sie darum.

Beste Qualität.

Fahrwerk, aktive und passive Sicherheit, Rohbaukonstruktion, Elektrik und Elektronik, Exterieur- und Interieurdesign, Innenausstattung, Materialauswahl, Fertigung, Vertrieb und viele andere Gewerke mehr: Sie liefern ihrerseits erste Lösungen, Zwischenstände und dann die abschließende Ausführung. „Beim Fahrzeugentstehungs­prozess sind alle Einzelschritte verzahnt und müssen eng abgestimmt laufen, von der ersten Konzeptüberlegung an bis zum fertigen Serienmodell“, beschreibt Knothe den Ablauf. „Die Projekt­organisation und die Kommunikation sind daher essenziell. Nur so können Zwischenziele und der Zeitplan verbindlich eingehalten werden.“ Im Wochenabstand tauschen sich die Bereiche miteinander aus. Zusätzlich kommunizieren sie über Digitalmodelle der neuen Baureihe. Auch der Vorstand ist immer top informiert.

Zugleich sorgt der enge Austausch dafür, dass entlang des Entwicklungswegs Kompromisse in bester Qualität getroffen werden. Denn natürlich möchte jeder für seinen Fachbereich die ideale Lösung. Doch diese ist nicht immer umsetzbar. Auch, weil ein anderer an der Entwicklung beteiligter Kollege sonst zu stark in seiner optimalen Lösung beeinträchtigt wäre. „Ein plakatives Beispiel: Für das Aussehen des Fahrzeugs wäre es perfekt, wenn die Felgen nur eine hauchdünne Gummischicht tragen würden“, sagt Pfeiffer und lacht seinen ehemaligen Kollegen an.

Knothe grinst zurück: „Wie soll ich mit dem schwarzen Strich das Fahrgefühl eines Mercedes-Benz erzeugen? Oder optimale Fahrsicherheit? Der Reifen und alles, was daran hängt, hat schon seine Bedeutung.“ „Ach was“, kontert Pfeiffer humorvoll, „eine Achse dient doch nur dazu, ein schickes Leichtmetallrad befestigen zu können.“ Knothe schmunzelt: „Das hast du immer gesagt. Bis du irgendwann doch zugestimmt hast, dass die Raumlenker-Hinterachse keine ganz schlechte Erfindung ist.“

 „Das Wir-Gefühl ist bei der Entstehung eines Autos ganz wichtig. Wenn das gelingt, setzt das große Kreativität frei.“ Natürlich wurde immer wieder um einzelne Aspekte gerungen. Aber das sei vollkommen normal, fügt Knothe an.

Dem Austausch untereinander dienen auch Versuchsfahrten. Denn wenn das neue Auto ge­fahren wird, macht es Lösungen greifbar, begreifbar – für alle.  „Das Fahrerlebnis lässt sich nicht allein durch technische Werte ausdrücken, sondern wird durch die Wahrnehmung aller Sinne geprägt“, weiß Knothe. Die großen Baureihenfahrten fanden damals zweimal im Jahr statt, im Sommer in den USA, im Winter in Schweden. „Jede war eine Klausurtagung in Sachen Automobil. Alle in Entwicklung befindlichen Baureihen waren dabei und präsentierten den jeweiligen Stand der Technik“, sagt der Ingenieur. 

Eine Besonder­heit des C 216.

Er ist das erste Fahrzeug von Mercedes-Benz, das ganz ohne Prototypen in Serie ging. „Prototypen sind immer sehr teuer. Wir sprechen schnell über einen ­Millionenbetrag pro Fahrzeug“, sagt Frank Knothe. „Da der C 216 technisch über die S-Klasse der Baureihe 221 weit­gehend beschrieben war, gab es aus meiner Sicht keine Notwendigkeit für Proto­typen. Das habe ich durchgesetzt. Seitdem werden Derivate einer Baureihe immer ohne solche Versuchsträger entwickelt.“

Mittlerweile ist die Zeitreise mit dem C 216 im Jahr 2006 angekommen. Er ist fast fertig. Nach den letzten Arbeiten steht ganz am Schluss die Abnahmefahrt des Vorstands. Ende Mai geht es bei Barcelona in Spanien auf Tour. Die Zufriedenheit mit dem neuen Luxusmodell ist groß: Alle Entwicklungsziele sind erreicht. Bei der Abschlussbesprechung fragt Knothe in die Runde, ob jemand noch etwas sagen möchte. Er schaut in entspannte Gesichter. Nur einer meldet sich: Dr. Dieter Zetsche. Die Einsitzweichheit sei noch nicht ganz optimal, wenn man ins Auto steige, moniert er.

„Da habe ich kurz geschluckt, denn eine Änderung so knapp vor Schluss ist nie schön“, erinnert sich Knothe. „Doch ich wusste, dass wir noch eine Möglichkeit haben, den Sitzaufbau zu modifizieren, ohne die Weltpremiere zu gefährden.“ Kurz vor Toresschluss wird der C 216 dann tatsächlich noch eine Nuance besser. Am 26. Juni 2006 ist es so weit: Die neue CL-Klasse steht in Stuttgart erstm­als im Rampenlicht der Öffentlichkeit. „Höchste Exklusivität“, „anspruchsvolles Design“, „wegweisende Spitzentechnik“, lobt die internationale Presse. Keine Frage: Es gibt ein exzellentes neues Coupé. Mit aktivem ABC-Fahrwerk (Active Body Control), PRE-SAFE® Bremse, Intelligent Light System mit fünf Lichtfunktionen und dem präventiven Insassenschutz PRE-SAFE®. Zudem stehen zwei kraftvolle Motoren mit acht oder zwölf Zylindern und die AMG Versionen zur Auswahl.

„Für das Produkt ist entscheidend, dass das Team gut miteinander funk­tioniert“, sagt Pfeiffer.

Diplomingenieur Frank Knothe.

Frank Knothe.

„Er ist verantwortlich dafür, dass das Auto so fährt, wie es fährt“: So hat Professor Jürgen Hubbert (ehemaliger Mercedes-Benz Chef) einmal die Tätigkeit des Diplomingenieurs Frank Knothe beschrieben. Ergänzen könnte man: dass es so fährt wie ein Mercedes-Benz. 1966 trat Knothe ins Unternehmen ein und war ab 1994 als Baureihenchef verantwortlich für die Entwicklung Gesamtfahrzeug von S-Klasse, SL und SLK. Außerdem betreute er den SLR McLaren. Die Luxuscoupé-Baureihe C 216 markierte den Schlusspunkt seiner Berufstätigkeit am 31. Dezember 2006.

Plötzlich im Rampenlicht.

Auf ihrer persönlichen Zeitreise exklusiv für das Mercedes-Benz Classic Magazin sind Peter Pfeiffer und Frank Knothe jetzt aus dem CL 500 4MATIC ausgestiegen. Das Fahrzeug hat der in Österreich lebende Dr. Mario Darok zur Verfügung gestellt. Er hat es vor ein paar Jahren gekauft. „Ich liebe großzügige Autos, aber muss zugeben: Als es auf den Markt kam, hat es mir zunächst nicht gefallen. Erst nach und nach hat sich mir das Design erschlossen.“ Pfeiffer nickt: „Das ist nachvollziehbar. Bei der Weltpremiere ist die Öffentlichkeit oft überrascht vom Fahrzeug – weil sie unsere Zeitreise in den Jahren zuvor nicht mitgemacht hat. Plötzlich steht es im Rampenlicht. Wir sind überzeugt, dass es exakt in die Zeit passt. Es dauert dann manchmal, bis die breite Akzeptanz da ist. 

Das ist nicht schlimm, weil das Fahrzeug ja einige Jahre im Programm sein wird. Manchmal geht es aber auch ganz schnell. Erinnern Sie sich an die Premiere des CLS, 2003 als Studie, 2004 als Serienmodell. Vom Start weg war dieses Auto ein Hit.“

Jetzt nickt Mario Darok zustimmend. Er entschied sich noch aus einem weiteren Grund für sein nobles Coupé aus dem Baujahr 2010. Er konnte das seltene Sondermodell „100 Jahre Markenzeichen“ mit Sonderausstattung ergattern. Erkennungsmerkmal: zwei Plaketten im Stil von 1909 mit Mercedes-Stern und Benz-Lorbeerkranz in der Mittelkonsole. „Diese Verbindung zur Historie der Marke freut mich jedes Mal, wenn ich mich ins Auto setze“, sagt der Sammler aus Österreich.