Es ist der 22. Juli 1894 in Paris. Menschentrauben säumen den Straßenrand, soweit das Auge reicht. Ob aus reiner Neugier oder um die Fahrer bei diesem aufregenden Wettbewerb zu unterstützen – sie alle sind gekommen, um Zeitzeugen der ersten Automobil-Zuverlässigkeitsfahrt der Welt mit „Wagen ohne Pferde“ zu werden, wie es der Pariser Veranstalter „Le Petit Journal“ offiziell ausgeschrieben hat. Von 102 gemeldeten Fahrzeugen erscheinen jedoch nur 21 am Start. Vorfreude und Anspannung zugleich machen sich unter den Teilnehmern breit, die unruhig auf den Startschuss warten. Dies soll ihr großer Tag werden, um der Welt zu zeigen, welch technisches Wunderwerk sie geschaffen haben. Eines, das auch schwierigen Bedingungen standhält. Neben Wagen mit Benzinmotor sind auch einige der in Frankreich seinerzeit populären Dampfwagen vertreten.
Den Teilnehmern stehen 126 Kilometer von Paris nach Rouen bevor, die es mit ihren Fahrzeugen zu meistern gilt. Gottlieb Daimler und sein Sohn Paul verfolgen die Zuverlässigkeitsfahrt vor Ort. Paul Daimler wird später einmal seine Eindrücke niederschreiben, die er beim Rennen gewinnt. Schnell wird klar, welch bedeutenden technischen Vorsprung der Visionär Gottlieb Daimler mit seinem leichten schnelllaufenden Benzinmotor hat:
„Man sah auf die Heizer der schweren Dampfwagen, schweißtriefend, von Ruß überzogen, schwer arbeitend beim Aufschütten von Brennmaterial; die Fahrer der kleinen Dampfdreiräder, dauernd den Druck und Wasserstand im kleinen, kunstvoll gefügten Röhrenkessel beobachtend und die Ölfeuerung regulierend, und in Gegensatz dazu die Fahrer der Benzin- und Petroleumwagen ruhig auf dem Lenkersitz, hier und da einen Hebel betätigend, wie nur rein zum Vergnügen fahrend - ein ganz eigenartiger Vergleich und mir zeitlebens unvergesslich.“
17 der 21 angetretenen Fahrzeuge erreichen das Ziel. Zu den gemeinsamen Siegern werden die Marken Panhard-Levassor und Peugeot erklärt, deren Wagen von 3,5 PS starken Daimler-Zweizylinder-V-Motoren angetrieben werden. Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 17 km/h übertreffen sie zwar noch nicht die von Radfahrern erzielten Geschwindigkeiten, beeindrucken Fachleute und die Öffentlichkeit aber aufgrund ihrer außergewöhnlichen Fahr- und Beförderungsleistungen. Zwar fährt ein 20 PS starker De-Dion-Bouton-Dampfwagen zuerst über die Ziellinie, dieser widerspricht allerdings mit seiner mächtigen und schweren Maschine den Bedingungen der Ausschreibung. Ehrenhalber, aufgrund der dennoch beachtlichen Leistung, wird er mit dem zweiten Platz belohnt.
Diese erste Zuverlässigkeitsfahrt, die sich in diesem Jahr zum 120. Mal jährt, markiert den Start der erfolgreichen Motorsportgeschichte von Mercedes-Benz. Auch in den Folgejahren fahren Wagen mit Motoren der Bauart Daimler bei Automobilrennen Siege ein.
Diese erfolgreichen Rennen der 1890er Jahre wecken nachhaltig die Begeisterung für den Rennsport und tragen zur rasanten Entwicklung im Automobilbau bei. Schon vor 120 Jahren beweisen die Motoren Zuverlässigkeit und Standfestigkeit und bestätigen den Wahlspruch Gottlieb Daimlers: „Das Beste oder nichts.“