Das Fahrabenteuer sollte eigentlich in Bogotá starten und nach Westen in Richtung des Kaffee­dreiecks („eje cafetero“) führen. Dorthin, wo der wohl beste Kaffee der Welt wächst. Doch ein Unwetter änderte kurzfristig die Reiseroute. Einige Tunnel und Straßen, die von Bogotá in das zwischen Medellín und Cali gelegene Kaffeedreieck führen, waren durch Starkregen plötzlich nicht mehr sicher befahrbar. Roadtrips in Kolumbien können sehr abenteuerlich sein – und die Kolumbianer müssen oft Flexi­bilität beweisen. Der Mercedes-Benz Club Kolumbien erweist sich als flexibel. So wird die lange verabredete dreitägige Ausfahrt nicht abgesagt, sie führt nun einfach nur in eine andere Richtung. Anstatt nach Westen geht es von der Hauptstadt aus in Richtung Norden. Auf nach El Dorado!

El Presidente: Gonzalo Gutiérrez Grau, 67, neben ihm im W 112 von 1964 seine Freundin Mariluz, 60, ist Mitgründer und der Präsident des Markenclubs.

An diesem Mittag aber bleiben die Menschen stehen, zücken die Handys und zeigen staunend auf das, was da vor ihren Augen vorbeirollt. Sogar beim Cricket-Spiel der heimischen Mannschaft gegen die Westindischen Inseln wird das Bild im TV kurz eingeblendet – jemand muss es dem Sender vom Handy aus zugespielt haben: drei klassische Mercedes-Benz, die erhaben durch den Verkehr gleiten. Es sind betörend schöne Autos, so makellos herausgeputzt, als kämen sie frisch vom Band: ein 220 SE Coupé der „Heckflossen“-Baureihe 111, ein
190 SL und eine 170 S Limousine, damals „Innen­lenker“ genannt. Chromblitzende Zierleisten, funkelnde Stoßstangen­hörner, majestätische Kühlerhauben, in denen sich die Palmen spiegeln

Trauzeuge: Ihr W 116 war schon Ana Gabriela García Arizas Hochzeitsauto. Hier fährt sie in der S-Klasse durch Villa de Leyva.

Ana Gabriela García Ariza und ihr W 116.

Am frühen Freitagmorgen holt Ana Gabriela 45, Rechtsanwältin von Beruf, die Reporter vom Hotel El Dorado ab. Auch der internationale Flughafen Bogotás trägt den Namen El Dorado: Der Legende nach soll hier ganz in der Nähe auf dem Grund eines Sees ein Goldschatz liegen, den der Häuptling der indigenen Muisca versenkt haben soll. Und der Roadtrip führt uns nun genau dorthin.

Ana Gabriela fährt mit ihrem 280 SE, Baujahr 1979, am Hotel vor. Sie nennt ihren stattlichen Klassiker sehr liebevoll „el niño“. Der Fotograf führt viel Equipment mit und freut sich über den großen Koffer­raum der S-Klasse. Von der Hauptstadt Bogotá, gut 2 600 Meter über dem Meeresspiegel gelegen und mit acht Millionen Einwohnern, geht es in die Nachbar­stadt La Calera. 

Traumlandschaft: Rund 2 000 Meter über dem Meeresspiegel, saftig grün und sehr fruchtbar.

Saftig grün.

Die Landschaft ist saftig grün, die Wolken sind fast zum Greifen nah auf immer noch rund 2 000 Metern über Normalnull. Hier ist der Treffpunkt für die anderen Stern-Aficionados. Nach und nach kommen die Clubmitglieder angefahren: in einem weiteren Fahrzeug der Bau­­reihe 116, einem 450 SEL; auch ein W 113, ein R 107, drei W 123, ein W 124, zwei W 201 sind dabei, zudem zwei Raritäten aus den frühen 1950er-Jahren: ein 170 Sb (W 191) und ein 300 Sc (W 188).

Besonders die letzten beiden ziehen die verzückten Blicke der Passanten auf sich. Weiter geht es nach Sesquilé. Ganz in der Nähe: die Lagune von Guatavita, der ehemaligen Hauptstadt der Muisca und die Quelle der Legende von El Dorado.

Die sagenumwobene Lagune befindet sich inmitten eines Naturschutzgebietes.

„Ich besitze den W 116 seit gut 20 Jahren, habe ihn damals meinem Stiefvater abgekauft“, erzählt Ana Gabriela. „Der 280 SE hat mich in den wichtigsten Momenten meines Lebens begleitet, zum Beispiel bei meiner Hochzeit vor 13 Jahren. Auch meine Schwester hat in der Limousine geheiratet.“ Der W 116 ist nicht ihr einziger Klassiker. Sie besitzt auch noch einen W 123 von 1981 und einen W 124, Baujahr 1995. Mit ihren Autos rollt sie gerne und auch ziemlich oft bei Rallyes an den Start. Mehrere Pokale hat die Mutter einer Tochter bei Rennveranstaltungen schon gewonnen. Auch kann sie eine Menge selbst reparieren und einstellen: „Bei den Rallyes ist das von Vorteil.“ Wie sie auf Autorennen kam? Ana Gabriela überlegt nicht lange: „Seit meiner frühesten Jugend verehre ich die ehemalige schwedische Rallye-Pilotin und Mercedes-Benz Marken­botschafterin Ewy Rosqvist.“

An diesem Mittag aber bleiben die Menschen stehen, zücken die Handys und zeigen staunend auf das, was da vor ihren Augen vorbeirollt. Sogar beim Cricket-Spiel der heimischen Mannschaft gegen die Westindischen Inseln wird das Bild im TV kurz eingeblendet – jemand muss es dem Sender vom Handy aus zugespielt haben: drei klassische Mercedes-Benz, die erhaben durch den Verkehr gleiten. Es sind betörend schöne Autos, so makellos herausgeputzt, als kämen sie frisch vom Band: ein 220 SE Coupé der „Heckflossen“-Baureihe 111, ein
190 SL und eine 170 S Limousine, damals „Innen­lenker“ genannt. Chromblitzende Zierleisten, funkelnde Stoßstangen­hörner, majestätische Kühlerhauben, in denen sich die Palmen spiegeln

Straßenfest: Der Club fährt durch Ráquira und sorgt dabei für Volksfeststimmung.

Bunte Klassiker.

Drinnen, in den anderen gelben, roten, grünen, silbernen und schwarzen Klassikern, sitzen erwartungsvolle Männer und Frauen, Familien mit Kindern, die ein rund 500 Kilometer langes Fahrabenteuer vor sich haben. Der jüngste Teilnehmer des Roadtrips ist gerade mal drei, der älteste, Álvaro Vargas, ist bereits 84 Jahre alt.

Álvaro Vargas und sein W 191.

Álvaro spricht sogar ein bisschen Deutsch. Warum? „Anfang der 1960er-Jahre habe ich in Deutschland eine zweijährige Ausbildung zum Ersatzteilfachmann gemacht“, sagt Álvaro.

„Da habe ich die Sprache gelernt, jedoch vieles längst wieder verlernt. Deutsche Sprache, schwere Sprache.“ Seinen W 191, Baujahr 1953, besitzt er seit 1966, seit nun bald sechs Jahrzehnten. Von einem Hans habe er den Wagen damals gekauft, erzählt Álvaro. Und es sei für ihn gar nicht so einfach gewesen, das Auto von Deutschland nach Kolumbien zu importieren. Mehrere Jahre habe das gedauert. Doch der Wagen sei jede nur erdenkliche Mühe, jeden Aufwand wert gewesen. „In den letzten zehn, zwölf Jahren bin ich kaum noch mit dem 170er gefahren, habe ihn höchstens mal zu Fahrzeugausstellungen gebracht oder nur ganz kleine Strecken zurückgelegt. In den Jahren davor, ach, was sage ich, in den Jahrzehnten davor war er mein äußerst zuverlässiges Alltagsauto“, sagt Álvaro, der 1978 in Kolumbien ein Geschäft für Mercedes-Benz Ersatzteile eröffnete, zuvor zehn Jahre lang auch Autorennen fuhr, 1971 kolumbianischer Vizemeister, 1972 sogar Landesmeister wurde. 

Zum Treffpunkt hat er sein Schmuckstück auf dem Anhänger gebracht, doch die Clubausfahrt macht er auf der Straße mit. Ehrensache, das lässt er sich nicht nehmen. Er freut sich genauso wie alle anderen, dass er und sein Auto auf der Abenteuerreise durch das fantastische El-Dorado-Land mit dabei sind. Am Wegesrand jetzt: der Sisga-Stausee, später die malerischen Städtchen Suta­marchán, Samacá, Ráquira. Es gibt Blumenfelder, Pfirsichplantagen, Olivenhaine und sogar Weingärten an den Hängen der Berge. Bis zum Tagesziel Villa de Leyva, einer der wohl schönsten und auch bei Touristen beliebtesten Gemeinden Kolumbiens, sind es von Bogotá rund 180 Kilometer. Die alte Kolonialstadt mit ihrer riesigen Plaza, den meist zweistöckigen Häusern und historischen Kopfsteinpflasterstraßen war schon oft „Drehort von historischen, auch internationalen Filmproduktionen“, wie Ana Gabriela zu berichten weiß. Kurz vorm Einchecken in das mondäne Hotel El Duruelo sagt Álvaro, der am Steuer immer viel jünger wirkt, noch einen Satz, der sich zunächst etwas skurril anhört, doch den der Mercedes-Benz Aficionado sehr ernst meint: „Wenn ich einmal beerdigt werde, soll der Stern mich begleiten. Genauso wie in meinem ganzen Leben ja auch.“

Traumstraße: Álvaro lenkt seinen 170 Sb durch die Berge Boyacás.

An diesem Mittag aber bleiben die Menschen stehen, zücken die Handys und zeigen staunend auf das, was da vor ihren Augen vorbeirollt. Sogar beim Cricket-Spiel der heimischen Mannschaft gegen die Westindischen Inseln wird das Bild im TV kurz eingeblendet – jemand muss es dem Sender vom Handy aus zugespielt haben: drei klassische Mercedes-Benz, die erhaben durch den Verkehr gleiten. Es sind betörend schöne Autos, so makellos herausgeputzt, als kämen sie frisch vom Band: ein 220 SE Coupé der „Heckflossen“-Baureihe 111, ein
190 SL und eine 170 S Limousine, damals „Innen­lenker“ genannt. Chromblitzende Zierleisten, funkelnde Stoßstangen­hörner, majestätische Kühlerhauben, in denen sich die Palmen spiegeln

Gleiche Gene: Gonzalo (rechts) am W 112 im Gespräch mit seinem Sohn Juan Antonio, 33, der mit dem W 188 unterwegs ist.

Juan Antonio Gutiérrez und der W 188.

Juan Antonio, 33, studierter Betriebswirt, Sohn von Clubpräsident Gonzalo, ist, was seine Klassiker-Leiden­schaft betrifft, „stark erblich vorbelastet“, sagt er am nächsten Tag am Steuer des 300 Sc (W 188, Baujahr 1955) auf dem Weg durch atemberaubende Landschafts­gemälde: „Mein Großonkel und mein Vater, die immer ihre eigenen Autos reparierten und restaurierten, haben mir diese Leidenschaft schon als kleines Kind eingeimpft. Mein Vater war sogar mal Renn­fahrer. Doch als meine Mutter schwanger wurde, beschloss er, sich ganz auf die Restaurierungen und Reparaturen vornehmlich von Mercedes-Benz Modellen zu konzentrieren.“ Wie sein Vater, der die Expedition gemeinsam mit seiner Freundin Mariluz, 60, im W 112 von 1964 begleitet, betreibt er heute in Bogotá seine eigene Klassiker-Restaurierungswerkstatt. Juan Antonios Frau Carolina, 32, erzählt bei einer Stadtdurchfahrt am Nachmittag, dass er, wenn er von der Arbeit aus der Werkstatt nach Hause kommt, meist noch Videos mit Reparaturanleitungen anschaut.

„Die Leidenschaft für seinen Job hat ihn voll gepackt, er wird einfach nicht müde“, sagt sie liebevoll den Kopf wiegend. „Man muss sein Gehirn durch ständiges Lernen in Schwung halten“, erwidert Juan Antonio und nimmt einen Schluck vom duftenden Kaffee aus der Thermoskanne. „Ich tue, was ich kann und was ich liebe. Das ist perfekt für mich, eine schöne, eine sinnvolle Lebensaufgabe“, sagt er.

An diesem Mittag aber bleiben die Menschen stehen, zücken die Handys und zeigen staunend auf das, was da vor ihren Augen vorbeirollt. Sogar beim Cricket-Spiel der heimischen Mannschaft gegen die Westindischen Inseln wird das Bild im TV kurz eingeblendet – jemand muss es dem Sender vom Handy aus zugespielt haben: drei klassische Mercedes-Benz, die erhaben durch den Verkehr gleiten. Es sind betörend schöne Autos, so makellos herausgeputzt, als kämen sie frisch vom Band: ein 220 SE Coupé der „Heckflossen“-Baureihe 111, ein
190 SL und eine 170 S Limousine, damals „Innen­lenker“ genannt. Chromblitzende Zierleisten, funkelnde Stoßstangen­hörner, majestätische Kühlerhauben, in denen sich die Palmen spiegeln

„Wie drei Tage im Paradies.“

Juan Antonio kümmert sich um Klassiker, Youngtimer und Autosammlungen meist wohlhabender Familien in Bogotá. Er schuf sich in der kolumbianischen Hauptstadt sein eigenes El Dorado für Sterne-Enthusiasten. Und der seltene W 188, der neben dem W 191 von Álvaro am meisten Beifall von den Passanten entlang der Strecke bekommt, der gehört auch einem seiner Kunden. „Nimm das Coupé mit zur Clubausfahrt, dann siehst du, wie es sich außerhalb der Großstadt schlägt“, hatte der Kunde ihm angeboten.

Juan Antonio hat das An­gebot natürlich gerne angenommen. Sein Resümee dieses Roadtrips kurz vor der Rückfahrt nach Bogotá? „In diesem Traumcoupé und gemeinsam mit all den anderen Sterne-Enthusiasten durch eine so fantastische Landschaft zu cruisen, ganz ehrlich, das ist für mich wie drei aufregende Tage im Paradies!“

Perfektes Dinner: Zum Abschluss ein gemeinsames typisch kolumbianisches Essen: viel Fleisch und Gemüse!