Beinahe unschuldig liegt sie da, weiß getüncht, umrahmt von akkurat gemähten Weiden, rund 40 Kilometer stadtauswärts, nahe einem kleinen Kaff namens Parker. Es ist ein wolkenloser Vormittag, unermüdlich ruckeln Waggons mit Besuchern durch das Tor der Southfork Ranch, vorbei an grasenden Longhorns, mähenden Gärtnern und Pferdeställen. Wer an die TV-Serie „Dallas“ zurückdenkt, hat das Anwesen irgendwie imposanter in Erinnerung. Der Pool, in dem Familienfiesling J.R. Ewing sich abkühlte, wirkt wie ein Planschbecken – schon in den 1980er-Jahren wurde er durch Spiegel und Kameraeinstellungen größer gezoomt. Die Terrasse wirkt fast heimisch, auch weil die Titelmelodie in Endlosschleife erklingt.
Southfork Ranch: Cecile und DJ de Jesus eint die Faszination für den Wilden Westen. Sie leben in Fort Worth, der Heimat der Cowboys, Longhorns und Pferde.
Reunion Tower: das Wahrzeichen von Dallas.
Dallas, das war eine der berühmtesten TV-Serien der 1970er- und 1980er-Jahre. Am 13. April 1978 erfolgte die Erstausstrahlung, insgesamt wurden über 13 Jahre lang 357 Folgen über den Clan texanischer Öl- und Viehbarone gedreht. Eine Saga sondergleichen. Sie machte die Ewings zu einer der berühmtesten Familien der Welt. Zuschauer erlebten sie Woche für Woche. Man wusste, wann Sue Ellen zum Whiskey griff, warum es zwischen Pam und Bobby kriselte und welche manipulativen Tricks J.R. nutzte, um das Konto aufzustocken. Diese intrigante Welt der Reichen und Schönen wirkte anziehend und abschreckend zugleich, war vor allem eines: höchst unterhaltsam.
Und für den Texaner DJ de Jesus ist vor allem eines unvergesslich: die Liebe der Ewings zu Mercedes-Benz. Er selbst trat auf eigene Initiative und aus Liebe zur deutschen Automarke auch der Sektion Fort Worth des Mercedes-Benz Clubs von Amerika als leitendes Mitglied bei. Heute zählt sein Club 500 Mitglieder. An diesem Tag parkt sein 560 SL vor der Southfork Ranch. Ein sportlicher Zweisitzer mit blauer Lederpolsterung, Baujahr 1989.
Besucher nutzen das überraschende Motiv für einige Schnappschüsse, denn mehrere SL (R 107) waren treue Begleiter von Bobby Ewing und seiner aparten Gattin Pamela – wenn auch nicht in Arcticweiß, sondern in leuchtendem Signalrot. Ein Meisterwerk von Stilist Friedrich Geiger, 1971 erstmals von Mercedes-Benz präsentiert. Ein Wagen mit schnörkellos eleganten Linien, spannenden Wölbungen und dezenten Chromzierteilen.
Next Stop: Elm Street. Sie zählt in vielerlei Hinsicht zu den berühmtesten Straßen in Dallas – einige Kilometer von dieser Kreuzung entfernt wurde 1963 John F. Kennedy erschossen.
„Für Amerikaner waren Autos von Mercedes-Benz damals purer Luxus. Wer in den 1980er-Jahren einen SL fuhr, wurde definitiv als reich angesehen“, sagt DJ. Der Charakter des Wagens? Da fällt ihm das Wort „snooty“ ein, was für coole Überheblichkeit steht. Ein Gefährt, wie gemacht für den attraktiven Dandy der Familie. Wobei auch Bösewicht J.R. Geschmack bewies, hält DJ fest. Er liebte es nur größer, fuhr diverse S-Klassen, unter anderem in der Baureihe W 116 – sein erstes Auto war ein dunkelgrüner 280 SE, später saß er in einem silbergrünen 450 SEL, auch ein silberdistelfarbener 380 SEL zählte zum Familienbesitz.
Doch es war vor allem der SL der Baureihe R 107, der eine beachtliche TV-Karriere machte. Zu sehen war er nicht nur in Dallas, sondern auch in „Hart aber herzlich“, „Starsky & Hutch“, „Miami Vice“. Auch beim „A-Team“ hatte er Auftritte. Er schaffte sogar den Sprung nach Hollywood, mit Filmpartnern wie Eddie Murphy in „Beverly Hills Cop“, Richard Gere in „American Gigolo“ oder Sharon Stone in „Casino“. Natürlich hätten die vielen Serien- und Filmauftritte ihren Einfluss gehabt, sagt DJ, aber eigentlich sei es der Vater gewesen, der ihm erklärte, dass diese deutsche Automarke mit dem Stern einfach die beste der Welt sei.
DJ und seine Frau Cecile besitzen selbst einen ganzen Fuhrpark von Mercedes-Benz Klassikern, darunter einen 190 SL von 1959, ein 220 SE Cabriolet von 1960, einen „Pagoden“-SL von 1971, einen 250 C von 1972, einen 300 D von 1983, einen 560 SL von 1989 und ein 300 CE Cabriolet von 1993. Der 560 SL ist einer seiner Lieblinge. „Das Fahrgefühl auf der Straße ist jedes Mal unbeschreiblich“, schwärmt er.
Der Roadster: Bemerkenswerte Stoßfänger zieren den 560 SL – sie sind eine Konzession an spezielle Sicherheitsvorschriften in den Vereinigten Staaten.
Was die Serie Dallas betrifft, fragen sich Texaner noch heute, warum sie eigentlich so erfolgreich war. Gemessen am wirklichen Leben überbot Dallas sich in Klischees. „Da ist dieser Big Boss aus der Ölindustrie, umringt von superheißen Frauen, und rundherum stricken sich unzählige Intrigen. Nichts davon ist wahr“, sagt DJ. Geschäftsleute aus der Branche seien eher bodenständig und zurückhaltend. „Geschäfte laufen hier für gewöhnlich freundschaftlich ab.“ Stilprägend für die damalige Zeit: das Serienformat samt seinen dramatischen Cliffhangern. Bobby Ewings Abgang sorgte 1985 für landesweite Empörung, weshalb die Drehbuchschreiber ihn wiederauferstehen ließen. Als Ölbaron J.R. 1980 erschossen wurde, erlebte die Welt zudem den kuriosesten Serientod der Geschichte, den Medien weltweit kommentierten. Heute gilt Dallas als Mutter aller Soaps.
40 Jahre sind seit der Ausstrahlung der ersten Folge von Dallas vergangen. Wenn DJ heute mit seinem 560 SL über die neue Margaret Hunt Hill Bridge den Trinity River überquert, kehren Erinnerungen zurück. Da ist der Reunion Tower mit seinem unverwechselbaren Turmkorb. Zwischen silbrig funkelnden Wolkenkratzern kreisen Falken, auf den Straßen ist kaum ein Fußgänger zu sehen, das war damals schon so. DJ lacht beim Anblick der gigantischen Türme. Da fällt dieser Satz, den Texaner häufiger zitieren: „Everything is bigger in Texas“, sagt DJ. Die Ölindustrie? Viele Unternehmen sind mittlerweile nach Houston abgewandert.
Imposante Kulisse: der 560 SL vor der heutigen Skyline von Dallas.
Schwarzes Gold: Viele Ölpumpen in Texas sind noch in Betrieb und für Besucher zugänglich. Nach wie vor werden Ölfelder entdeckt, die frisches Geld in die Industrie spülen.
Heute sitzen Hochtechnologie-Unternehmen in Dallas, was der Stadt den Spitznamen „North Texas Silicon Prairie“ einbrachte. „Viele Ölmilliarden sind auch der Kulturszene zugutegekommen“, sagt er. Etwa dem Nasher Sculpture Center oder dem prall gefüllten Dallas Museum of Arts. DJs Wagen parkt am Sixth Floor Museum, dem früheren Schulbuchdepot an der Dealey Plaza. Aus dessen sechsten Stock erschoss Lee Harvey Oswald 1963 den Präsidenten John F. Kennedy, und natürlich lockte das viele Besucher an. Erhielt durch den Hype um die Serie die texanische Stadt auch die Chance, eines der dunkelsten Kapitel ihrer Geschichte zu verdrängen? DJ überlegt, schmunzelt. Nein, das wäre wohl übertrieben. „Aber der Kult kürt die Stadt zweifellos bis heute.“