Genau – man gibt ihnen gern eine schützende Hülle. Beziehungsweise einen Tresor, der den Zustand des Objektes darin sichern soll. Nicht nur vor Dieben, sondern vor allem vor der Realität. Was dem japanischen Picasso-Sammler sein Tresor ist, was Oma die Decke auf dem Sofa ist, ist Klassiker-Besitzern die Garage (Garage meint hier einen Raum, der hell, freundlich, sauber, gelüftet, krümelfrei ist) oder die Halle (Halle meint hier eine Art Auto-Galerie mit Lichtleisten, Air Conditioner, Security).
Im Wesentlichen handelt es sich um Orte, an denen viel Aufwand betrieben wird, sein Liebstes auf hohem Niveau sprichwörtlich sicherzustellen: den Mercedes-Benz Klassiker. Weggestellt, weggesperrt. Abgeschlossen, künstliches Licht. Kondomiertes Dasein. Wie ein Konto ohne Scheckkarte, wie Goldmünzen auf dem Grund des Pazifik. Da stehen sie nun und sind auf ihr eignes Antlitz zurückgeworfen, was natürlich in den allermeisten Fällen grandios aussieht. Doch blutleer und irgendwie auch langweilig.
Ist aber nicht das Auto zum Fahren gebaut? Essen ist ja auch nicht nur zum Fotografieren da. Verlassen wir den theoretischen Überbau und schauen in meinen Fahrkalender: Morgens zur Arbeit, immer fünf Mal Stau, dann freie Fahrt über die Rheinbrücken mit emotionalem Vollgas, Schiebedach auf, am Ende Parkplatz-Akrobatik. Mittags: Stunt – in nur drei Minuten auf die Kö, Termindruck, Bremse rein, wieder eng parken. Abends: wie morgens, nur rückwärts. Schön ist das nicht, und wenn man es Aufschreibt, wird es noch unschöner.
Trotzdem: Der Wagen muss raus, mit mir. Fortbewegungsmittel ist das Gegenteil von Garagen-Käfighaltung mit „Helikopter-Eltern“. Zugegeben, Oldtimer ist auch ein Synonym für besondere Wertschätzung. Mein Klassiker wird nicht mit Samthandschuhen behandelt, mein 380 SLC ist wie ein Schulbuch, ein Bier, ein Kuss. Täglich im Leben, benutzt, geliebt, mit Stoßstangen-Cellulite und Lack-Karies an den Türen. Alles schrecklich, doch Liebe macht blind. Wenn ich einen Neuwagen fahre, verkehrt sich sein jung sein in mein alt sein, fühle ich mich alt und unsichtbar. Mein tägliches Oldtiming ist unanständig unvernünftig, vor allem das Auto jeden Tag durch jedes Wetter zu bewegen. Wenn es einen Oldtimer-Eignungstest für Fahrerinnen gäbe – ich würde ihn nicht bestehen.
Dafür habe ich den Fahrspaß meines Lebens. Beim letzten Filmdreh für Mercedes-Benz sollten wir elegant in einen japanischen Garten einrollen. Das mit dem Einrollen hat geklappt, es waren allerdings die Nervenenden meines Beifahrers. Mir war so eine Art „Sprung“ über irgendsoeine Straßenbeule in der Einfahrt geglückt. Ich weiß gar nicht, wie mein SLC es mit mir aushält. Waschanlagen finde ich persönlich eher gefährlich, staubsaugen kann ich hingegen super. Das mit der Sauberkeit ist wie eine Art Ablasshandel. Mein anderer Klassiker, ein Strich-Acht von 1972, muss in einer Garage wohnen, da er eine schlimme Karosseriekrankheit hat. Ich sehe ihn selten, weil er im Ausland lebt. Es geht ihm eigentlich nicht gut. Aber wenn ich ihn bitte, nach sechs Monaten Haft einfach anzuspringen und loszufahren, dann tut er es und fährt mit mir: raus an die frische Luft.