„S wie S-Klasse.“

Sein Lieblingsbuchstabe im Alphabet ist für die, die seine Autosammlung kennen, nicht schwer zu erraten. „Das S natürlich“, antwortet Hermann Mike, der Jeans, weißes Shirt und Sonnenbrille trägt. „S wie S-Klasse. Oh Mann, ich liebe diese eleganten, bequemen und sicheren Straßenkreuzer. Der Stern hat Vorfahrt, damit bist du der König. Fast jedes Modell der S-Klasse, ich spreche von Old- und Youngtimern, habe ich bereits besessen. Einmal hatte ich sogar acht S-Klassen in meiner Sammlung.“ 

Hermann Mike und Ehefrau Pauline.

Präsident des Clubs: Amon Somolong liebt neben Mercedes-Benz auch gute Musik.

Autos hegen und pflegen.

Hermann, 38, arbeitet für ein Kreditkartenunternehmen in Nairobi. Nebenher betreibt er noch eine kleine Werkstatt, wo er vor allem seine eigenen Autos hegt und pflegt. Momentan besitzt er fünf S-Klassen. Und jetzt, an diesem Donnerstag, ist er gemeinsam mit seiner Frau Pauline, 38, Stewardess bei Kenya Airways, mit dem 41 Jahre alten 280 S (W 116) auf den Straßen von Kenias Hauptstadt Nairobi unterwegs. Das Ziel ist eine Giraffenfarm am Rande der Millionenmetropole. 

S-Klassen Parade.

Doch eigentlich will Hermann nur checken, ob der W 116 bereit ist für längere Ausfahrten durch zwei Nationalparks am kommenden Wochenende: zum Naivashasee, im Ostafrikanischen Graben ge­legen, und durch den Nairobi-Nationalpark direkt vor den Toren der Hauptstadt. 

Hermann und Pauline sind nicht alleine unterwegs. Vor ihnen fährt ein 280 SE (W 108), Baujahr 1970, hinter ihnen ein 300 SEL (W 126), 30 Jahre alt, und ein S 320 (W 140), Baujahr 1996. Es ist eine kleine S-Klassen Parade des Mercedes-Benz Club Kenya. 

Pralle Lebensfreude: Amon Somolong (vorne links) mit einer kleinen Tanzeinlage.

80. ­anerkannter Markenclub.

Der Club ist weltweit der 80. ­offiziell anerkannte Markenclub. Die Anerkennung gab es erst vor wenigen Monaten – sie sorgte für ganz viele glückliche Menschen in Kenia. Die Idee zur Gründung des Clubs hatten ein paar Enthusiasten bereits im Jahr 2014. In verschiedenen sozialen Netz­werken sind sie durch Posts und Kommentare aufeinander aufmerksam geworden: Hermann Mike, stellvertretender Vorsitzender des Clubs, gehörte ebenso dazu wie Clubpräsident Amon Somolong, 29, Taxi- und Reiseunternehmer, Vorsitzender Ronn Nginda, 45, Finanzbeamter und Unidozent, Michael Collins, 32, ein Kenianer, der zwischen Kenia und Köln pendelt und oft Ersatzteile be­schafft, sowie der in Texas lebende Sam Oendo, ­stellvertretender Präsident des Clubs. 

Pilgerfahrt nach Stuttgart.

Zusammen gründeten sie den Mercedes-Benz Club Kenya. „Vor etwa zwei Jahren baten meine Freunde mich, eine Tour nach ­Stuttgart zu organisieren“, erklärt Michael, der mit dem W 140 zur Giraffenfarm unterwegs ist. „Sie wollten das Museum und die Produktion in Sindelfingen besuchen. Wir nennen die Reise noch immer unsere Pilgerfahrt nach Stuttgart. Und nach der Pilgerfahrt leiteten wir das Notwendige ein, um offiziell als Markenclub anerkannt zu werden. Als es so weit war, Mann, das war ein Festtag für uns.“

Savanne: unterwegs in Richtung Ostafrikanischer Graben und Naivashasee.

Aussicht: ein 190 E 2.6 (links) und ein W 126, einst beides Design-Kreationen von Bruno Sacco, bei der Rast im Nationalpark.

Ausfahrt zum Naivashasee.

Zwei arktikweiße und ein elfenbeinfarbener W 124, einige Strich-Acht und S-Klassen sind bei der ersten Ausfahrt am Wochen­ende dabei. Es geht bei strahlender Sonne und 30 Grad Celsius von Nairobi in Richtung Ostafrikanischer Graben, genauer gesagt zum etwa 100 Kilometer vom Stadtzentrum entfernten Naivashasee. 

Der Süßwassersee ist fast 1.800 Meter hoch gelegen und Heimat von Flusspferden, Pelikanen und Dutzenden anderen Wasser­vogelarten. Er ist auch Jagdrevier der Seeadler. Auf den saftigen Wiesen am Ufer grasen verschiedene Antilopenarten und Zebras. Von Raubkatzen droht ihnen keine Gefahr – es gibt sie hier nicht. 

Sie alle sind Mercedes-Benz Fans.

„Zum See fahren wir am Wochenende recht oft und sehr gerne“, sagt Clubpräsident Amon Somolong, stolzer Besitzer eines W 124, mit dem er gerade unterwegs ist. In seiner Garage hat er noch einen blauen Strich-Acht. Es gibt viele gute Restaurants direkt am Wasser, wo man frischen Fisch, gebratene Hähnchen oder gegrilltes Ziegenfleisch bekommt. Große Portionen von allem landen auf dem vom Club reservierten Tisch. Außer Amon, Ronn, Hermann und Michael sind noch ein Staatsanwalt, ein IT-Unter­nehmer, ein Immobilien- und ein Versicherungs­makler mit dabei. Alle Mercedes-Benz Fans. Die Liebe zu ihren Autos ist echt, lebendig und beeindruckend. Sie zelebrieren selbstbewusst ihren Life­style.

„Mit meinem Mercedes-Benz unterwegs zu sein, ist für mich das Größte“, sagt Daisy Namayi, 37. Die Bank­angestellte ist seit einem Jahr Clubmitglied und heute die einzige Frau am Steuer. Ihr W 124 ist 31 Jahre alt, hier und da hat der Lack ein paar Kratzer, aber sonst ist der Wagen absolut verlässlich, erklärt sie.

Für 2.000 Dollar hat sie ihn vor zwölf Jahren in Nairobi gekauft: „‚Warum fährst du nur so ein altes Auto mit Handschaltung?‘ Das ­fragen mich meine Freundinnen ziemlich oft. Aber cool finden sie meinen W 124, Baujahr 1988, trotzdem fast alle.“

Safari: Ein Strich-Acht wirbelt auf einer Piste ordentlich Staub auf.

Die Sonne verabschiedet sich.

Die Gruppe wirbelt auf einer nahen Piste ein bisschen Staub auf und posiert am Ufer für den Fotografen. Fischer bringen ein letztes Mal für heute ihre Netze aus. Die Sonne verabschiedet sich hinter den hohen Bergen am Horizont – und mit ihr die Hitze des Tages. Einige Flusspferde schwimmen in Ufernähe entlang. Man hört sie schnaufen und sieht ihre Köpfe kurz durch die Wasseroberfläche stoßen. Nach der Dämmerung treten Zebras auf die saftige Wiese. Die Rückfahrt bei Dunkelheit nach Nairobi dauert dann etwas über zweieinhalb Stunden.

Schlange im Handschuhfach.

Vor der Safari durch den Nairobi-Nationalpark noch mal ein Abstecher zu einem der emsigsten und sicher auch wohlhabendsten Autosammler des Clubs. Sachit Shah, 47, ist indischer Abstammung und seine Familie besitzt eine Großbank in Kenia. Er wohnt in einer geschmack­voll eingerichteten Villa am Rand der Stadt, in der Nach­barschaft viele Botschaften und Gästehäuser der Regierung. 190 SL, 230 SL, SLS AMG, W 111 Coupé, W 123 Sieben- bis Achtsitzer, 450 SEL 6.9 – „der einzige in Kenia“ – und auch ein Adenauer 300 (W 189) in Tundragrün stehen unter vielen anderen Klassikern in seiner Sammlung. 

„Vor fünf Jahren habe ich angefangen, klassische Automobile zu sammeln, vornehmlich natürlich die mit dem Stern auf der Haube“, sagt Sachit Shah.

Großsammler: Sachit Shah besitzt neben diesem „Adenauer“ in Tundragrün (DB 278) viele weitere Mercedes-Benz Klassiker.

Fachgespräch: Ronn Nginda, Michael Collins und Amon Somolong (v. l. n. r.) betrachten den Motor eines W 111 Coupés.

Vergessene Preziosen retten.

„Mein erster Wagen war der Adenauer. Wir fanden ihn vor etwa fünf Jahren auf einer abgelegenen Farm in völlig heruntergekommenem Zustand. Als wir das Handschuhfach öff­neten, schnellte eine Schlange hinaus.“

Mittlerweile ist der Bankier darauf spezialisiert, längst vergessene Preziosen zu retten und zu neuem Leben zu erwecken. Seine Mitarbeiter suchen nach ihnen im ganzen Land – und bringen die Autos, unten ihnen richtige Raritäten, in der privaten Werkstatt-Manufaktur wieder auf Vordermann. Ihre jüngsten Funde: ein weißes „Ponton“ Coupé und der 450 SEL 6.9. 

„In ein, zwei Jahren werden beide hoffentlich wieder fahren können“, glaubt der Bankier und lädt auf einen Snack in sein Haus ein. „Bei der nächsten Pilgerfahrt ­un­seres Clubs nach Stuttgart in diesem Sommer bin ich sicher dabei“, sagt er noch, bevor wieder die Geschäfte rufen.

Löwen passieren die Piste.

Zum Nairobi-Nationalpark geht es früh am Morgen. „Da ist die Chance groß, vielleicht sogar Löwen zu sehen“, sagt Clubpräsident Amon Somolong, der diesmal seinen blauen Strich-Acht fährt. Tats­ächlich, plötzlich tauchen sie auf und passieren die Piste: sieben Löwen. „Okay, alles klar“, raunt S-Klassen Fan Hermann Mike am Steuer seines roten W 116. „Sonst hat bei uns in Kenia ja immer der Stern Vorfahrt, nur hier und jetzt nicht.“

Der Schutz der Wildtiere ist dem Club wichtig, deshalb halten sie Abstand. Affen, Antilopen, Büffel, in der Ferne zwei Nashörner und ganz nahe – hinter ihr die Skyline von Nairobi – die Massai-Giraffe. Es ist eine abenteuerliche Safari, die Kinder der Clubmitglieder haben auf den Rücksitzen ihren Spaß. 

Und ihre Eltern? Sie fahren nicht nur, sie feiern Mercedes-Benz!

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