Blitzschnell macht sich ein Lächeln im markanten Gesicht des Hollywoodhelden breit. Doch was heißt schon Lächeln? Ralf Moeller strahlt! Und ganz offensichtlich werden in diesem Moment sehr schöne Erinnerungen in ihm wach. Der Schauspieler – 196 Zentimeter groß, 114 Kilogramm schwer – ist gerade eingestiegen und macht sich nach einer ersten Umrundung des Straßenkreuzers jetzt mit der in der Morgensonne parkenden „Großen Heckflosse“ vertraut. Instinktiv zieht der Riese den Kopf ein, doch das ist in diesem Auto gar nicht nötig. Der 230 S bietet selbst einem Gladiator ausreichend Platz.
Zwei Stars, die gut zueinander passen: Der eine besitzt einen Reihensechszylinder mit Doppelvergaser, der andere pure Muskel-Power – und liebt kubanische Zigarren.
Die Große Heckflosse ist eben die S-Klasse der 1960er-Jahre. Und „Gladiator“, so hieß der oscarprämierte Film mit Russell Crowe in der Hauptrolle. In dem von Ridley Scott inszenierten Hollywoodfilm hatte auch der ehemalige Bodybuilder und Mister Universum Ralf Moeller eine Rolle. Er spielte Crowes kampferprobten Wegbegleiter durch die blutrünstigen Arenen des Römischen Reiches. Liebevoll streicht der in Recklinghausen geborene und aufgewachsene Schauspieler jetzt mit seinen Pranken über Armaturen, Lenkrad, Polster. Er schließt die Augen, zieht den ledrigen Duft der Vergangenheit ein: „Ich liebe Oldtimer. Man sitzt drin und träumt sich zurück in die Vergangenheit. Ist denn noch alles original?“ Ja, ist es weitestgehend. Lediglich der Lack wurde mal erneuert.
Der seit 1993 in Santa Monica bei Los Angeles lebende Deutsche, der seit 2014 auch die US-Staatsbürgerschaft besitzt, freut sich riesig auf den Tag mit der Heckflosse. „Sie ist zeitlos schön, so etwas wie mein Kindheits- und Jugendtraum“, sagt er. „Den Wagen konnten sich damals nur sehr Wohlhabende leisten. Er war kein Auto für Durchschnittsverdiener. Oft habe ich den Heckflossen mit großen Augen und offenem Mund hinterhergestarrt. Ich stamme aus einfachen Verhältnissen. Einen solchen Traumwagen konnten wir uns damals nicht leisten.“
Der 230 S steht vor dem Haus, das er seinen Eltern vor vielen Jahren gekauft hat – und wo er stets übernachtet, wenn er die alte Heimat in Nordrhein-Westfalen besucht. Drei, vier Mal im Jahr sei er hier, sagt er. Wir sind am grünen Stadtrand von Recklinghausen. Vögel zwitschern, die Gärten sind groß, die Häuser gepflegt – ein kleines, ein überraschendes Idyll.
Die Heckflossen-Baureihe und der mit dem „Terminator“ und Exgouverneur von Kalifornien, Arnold Schwarzenegger, sehr gut befreundete Hüne haben beide eine gewisse zupackende Eleganz – und gewissermaßen das gleiche Geburtsjahr: 1959. Ab diesem Jahr flanierten die ersten Heckflossen (W 111) über die Straßen. Unser 230 S, Baujahr 1967 – mittelroter Lack, Dach elfenbeinfarben, Weißwandreifen, 4,87 Meter lang, 1.350 Kilogramm schwer, 120 PS, 175 km/h Höchstgeschwindigkeit –, ist mit den ersten W 111 so gut wie identisch. Ein Musterbeispiel für Kraft und Ästhetik. Zeitlos schön.
Zu seinen Glanzzeiten hatte der Kraftsportler einen 58er-Bizeps. Heute beträgt sein Oberarmumfang immerhin noch fast einen halben Meter.
Übrigens, Herr Moeller, wussten Sie, dass Heckflossen auch in großen Hollywoodproduktionen Auftritte hatten? „Nein, wusste ich nicht“, erwidert er interessiert. „In welchen Filmen denn?“ In „Der Marathon-Mann“ mit Dustin Hoffman in der Hauptrolle und im James-Bond-Film „Im Geheimdienst ihrer Majestät“ mit George Lazenby als Agent mit der Lizenz zum Töten. „Oh, Bond ist mein Traum. Die Rolle als einer der Bösewichte, die 007 das Leben schwer machen, würde mich sehr reizen.“ Welche Streifen und Schauspieler er sonst noch favorisiert? „Alle Filme, in denen ich mitspiele“, antwortet er charmant schelmisch. „Nein, im Ernst: Ich bin großer Fan von Clint Eastwood. Doch mein Lieblingsfilm ist ‚Scarface‘ mit Al Pacino in seiner unvergesslichen Rolle als Tony Montana.“
Zurück nach Recklinghausen. Vom Elternhaus geht es mit dem 230 S zum Fitnessstudio. Das Training ist Moeller ebenso wichtig wie die richtige Ernährung. Vor allem gelte es, den Zucker wegzulassen. Er mache das weitestgehend und es tue ihm gut. Weiter am Wegesrand: der Sportplatz Hohenhorst, das Südbad. Ralf Moeller war hier eine Zeit lang als Schwimmmeister der Schwarm vieler Mädchen. Er wird noch immer erkannt. Viele grüßen, lächeln, strecken die Daumen. Trotz seines Bekanntheitsgrades ist Moeller nahbar, irgendwie einer von ihnen geblieben.
„Ja, das hoffe ich doch“, sagt der Mann, der sich auch für die Initiative „Starke Typen“ des Bundesfamilienministeriums einsetzt, mit der Kindern aus sozialen Brennpunkten eine positive Lebenseinstellung vermittelt werden soll. Es folgt ein kurzer Roadtrip zur Zeche Ewald, dem stillgelegten Steinkohlen-Bergwerk im nahen Herten. Tausende Kumpel arbeiteten hier bis ins Jahr 2001 tief unter der Erde.
Ob der muskulöse Mann mal ein schüchterner Schüler war? Natürlich nicht!
Letzte Station des sonnigen Tages ist der Ort, wo Ralf Moeller mal die Schulbank drückte. Direktor Elmar Sudeick und Dutzende Kinder und Jugendliche heißen einen der berühmtesten Söhne der Stadt auf dem Pausenhof der Bernhard Overberg-Realschule willkommen. Klar, der Gladiator ist da. Der ehemalige Schüler, der es von hier bis nach Hollywood geschafft hat. Und dann ist er noch mit diesem fantastischen alten Auto gekommen, das auf dem Schulhof steht.
„Der ist echt riesig“, kommentiert ein Junge aus der achten Klasse. Wer, der Schauspieler oder der Straßenkreuzer? „Nee, dieser Augenblick. Er ist ganz besonders!“ Und ein Mädchen singt für Ralf Moeller sogar noch ein Lied.
Mehr über die „Heckflossen“ (Baureihe W 111) Ralf Moellers Homepage
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