Er schaukelt an Laternen, rutscht Treppengeländer runter, parkt auf einem Balkon und simuliert, nun ja, Sex an der Häuserwand. Wie kommt man auf so einen Film?
Wir haben als Studio schon viele Autofilme gemacht – meistens im Auftrag von Unternehmen. Bei diesem Film dachten wir uns: Wir machen jetzt mal etwas, das auch unsere eigene Herangehensweise auf den Kopf stellt.
Für „Autonomous Rolf“ stand die Mercedes-Benz Baureihe 123 Pate. Wieso genau dieses Auto?
Weil der W 123 von seinem Erscheinungsbild her ein sehr hohes emotionales Potenzial besitzt. Er hat einerseits diese klassische Autoform, eine eckige Silhouette. Genauso würde ein Kind ein Auto zeichnen, ein Auto-Auto sozusagen. Dazu kommen aber gleichzeitig schöne Rundungen.
Alte Autos haben noch Charakter, sind unverkennbar?
Stilistisch ja. Die Handschrift, die Formensprache, die Autonomie im Erscheinungsbild. Wie sich das Auto anfühlt, fährt, klingt: All das scheint mir bei Modellen vor 1985 erheblich stärker ausgeprägt als heute. Nicht ohne Grund ist ein Wagen wie der W 123 heute noch sehr verbreitet und bekannt. Im Nahen Osten sieht man diesen Typ oft. Auf der anderen Seite ist der W 123 auch modern. In Berlin haben viele Hipster dieses Modell – restauriert und aufpoliert, versteht sich. Ja, fast jeder auf der Welt kennt vermutlich dieses Gesicht.
Was ist das Besondere am Gesicht des W 123?
Autos haben von vorne betrachtet generell dieses Menschliche. Aber dieser Typ hat nicht nur ein Gesicht, sondern ein sympathisches Gesicht. Es strahlt freundliche Biederkeit und Understatement zugleich aus.
Warum eigentlich Rolf?
Der Name klang für uns einfach nach einem seriösen, sympathischen Auto ...
... das in Senfgelb durch eine futuristische Welt in Pastelltönen fährt. Eine reine Designentscheidung?
Wir haben viel probiert und blieben dann an der Farbe hängen. Auch weil sie unmaskulin und nicht so ernst ist, wie der W 123 eben.
Stichwort unmaskulin: Während Rolf seinen Schabernack treibt, singt eine japanische Popsängerin im Hintergrund dazu in, sagen wir mal, sehr hohen femininen Tönen ...
Das Lied ist eine Coverversion und im Original ja von Tom Jones: „It’s not unusual“. In dem Song geht es um Liebe und um Spiegelung im anderen, was Rolf nicht hat. Er ist ja alleine unterwegs.
Der einsame Rolf fährt im wahrsten Sinne autonom. Dazu gibt es bekanntlich unterschiedliche Meinungen ...
Genau, die einen sagen: „Autonomes Fahren ist des Teufels und wir entmündigen uns.“ Die anderen denken: „Alles wird super, wir machen uns vom Stress des Fahrens frei.“ Wir wollten eine dritte Sichtweise hinzufügen: Was ist Denken aus Sicht einer Maschine? Was würde sie sich denken wollen, wenn sie denken könnte? Was würde sie tun?
Würden Sie sich in einen Wagen wie Rolf setzen?
Rolf ist schon extrem, ihm ist alles egal. Er benutzt seine Umwelt als Spielplatz. Er ist im Kopf ein Parcours- Künstler, der die Oberfläche der Stadt für den physischen Ausdruck seiner Emotionen nutzt. Da könnte man Angst bekommen. Aber an so was glaube ich nicht. Auch künstliche Intelligenzen, die irgendwann ein Auto steuern, werden ja von Menschen gemacht. Und diese künstlichen Intelligenzen halten sich bestimmt an die Straßenverkehrsregeln ...