Asphalt-Schönheiten.

Autos wie Skulpturen. Eine ganze Halle voll, auf drei Etagen. So eine Versammlung edelster Automobile hat Seltenheitswert, der Anblick muss beim Betrachter erst einmal sacken. Er steht einfach nur sprachlos vor all den „Pontons“, „Pagoden“, „Heckflossen“ und „Flügeltürern“. Nico Ockhuisen, 70, graue Haare, Vollbart, lächelt lässig. Er beobachtet – und genießt – die Reaktion des Besuchers aus den Augenwinkeln. Asphalt-Schönheiten in allen nur erdenklichen Farben und Formen. So viele Highlights aus neun Jahrzehnten Automobilgeschichte an einem Ort!

Klassiker der Zukunft.

Vom 290 Cabriolet B, Baujahr 1933, über den 300 SL Flügeltürer, 1955, den 300d von 1960, den 190 E 2.5-16 Evolution, 1989, bis hin zum SLS AMG von 2011. SLR McLaren, 450 SEL 6.9, Typ 600, der einst dem Herausgeber der New York Times gehörte, sogar eines von nur 85 Exemplaren des 220 Coupé von 1954. Legendäre Klassiker – und ein paar Klassiker der Zukunft. Die Sinne laufen auf Hochtouren, das Herz hüpft. Und die Antwort des leidenschaftlichen Autosammlers Nico Ockhuisen auf die erste Frage des Reporters ist ebenso kurz wie cool. „Sind Sie jemals in Ihrem Leben etwas anderes als ein Auto der Marke Mercedes-Benz gefahren?“ „Nein!“

Mit Herzblut und Fachwissen.

Ockhuisen verdiente sich mit 17 als Zeitungsausträger das erste eigene Geld, mit dem er sich einen gebrauchten Mercedes kaufen konnte. Heute besitzt er rekordverdächtige 106 Mercedes-Benz. Die meisten parken hier in dieser hangarähnlichen Halle. „Die Wagen beißen nicht“, sagt er. „Tritt ruhig näher heran. Setz dich hinein. Du kannst auch gerne mal fahren. Fühl dich frei, hab einfach Spaß.“ Okay, das klingt gut! Es wird Zeit für eine Ausfahrt. Für mehrere Ausfahrten. Louis van Vliet, 59, Präsident der Mercedes-Benz Automobiel Clubs Nederland (MBAC), und Patrick Bauland, 61, Schatzmeister der MBAC, sind mit von der Partie. Zuerst eine Runde bei Regen mit dem sportlichen und seltenen 190 E 2.5-16 Evolution, dann bei besserem Wetter mit dem eleganten 220 Ponton.

Die drei jung gebliebenen Männer mit Benzin im Blut sind ganz in ihrem Element. Beim Übersetzen mit der Fähre. Bei der Fahrt übers Land. Sie haben gemeinsam Spaß. „Einen so glühenden Mercedes-Benz Enthusiasten wie Nico im Club zu haben, das ist schon eine ganz besondere Sache“, sagt Clubpräsident van Vliet. Und Patrick Bauland ergänzt: „Ich kenne keinen, der mit so viel Herzblut und Fachwissen bei der Sache ist.“ Als Unternehmer betreibt Ockhuisen, Vater zweier Töchter und eines Sohnes, hier vor den Toren Amsterdams vier Jachthäfen und ein kleineres Fuhrunternehmen.

„Alle meine Autos sind unverkäuflich.“

Der ebenso hemdsärmelige wie sympathische Holländer hat viel Liebe und auch eine Menge Geld in seine Automobilsammlung investiert. Doch was sie heute Wert ist, das interessiert ihn gar nicht so sehr. „Alle meine Autos sind unverkäuflich. Ganz im Gegenteil, ich bin immer auf der Suche nach neuen Schätzen und kann dabei zum Glück auf ein Informanten-Netzwerk aus der ganzen Welt zurückgreifen“, sagt er. „Wenn irgendwo ein interessanter Wagen zum Verkauf steht, wenig Laufleistung und Originalzustand, erfahre ich das hoffentlich als einer der Ersten. Ich kaufe nie einen Wagen, ohne dass ich ihn selbst in Augenschein genommen habe. Doch, einmal in Los Angeles. Ein Angebot per Foto und Telefon. Ich habe sofort zugeschlagen.“

Alles ist alt, wirkt aber wie neu.

Fast jedes seiner Autos ist in Topzustand: unrestauriert, erster Lack, original Leder- oder Stoffbezug. Unterboden, Kofferraum, Ersatzreifen, Bordwerkzeug: Alles ist alt, wirkt aber wie neu. Das ist Nico Ockhuisen wichtig – und macht seine Sammlung noch einzigartiger. Doch Autos müssen fahren. Deshalb bewegt er jedes mindestens zwei Mal im Jahr, jeweils 50 Kilometer. Der Mann aus einer Großfamilie, „Vater war Angestellter bei Philips, Mutter kümmerte sich um mich und meine sechs Geschwister“, hat sich alles selbst erarbeitet. Mit Liebe, Köpfchen und geschickten Händen, denen man ansieht, dass sie zupacken können. Ockhuisen sammelt nicht nur, er kann einen kompletten Motor auseinander und wieder zusammenbauen.

Ein Traumauto wird zum „Träumauto“.

Auch seine Augen funkeln jetzt mit den auf Hochglanz polierten Autos in der 2 000 Quadratmeter großen Halle um die Wette. Kein Zweifel: Hier ist ein Mann stolz auf das, was er geschaffen hat. Es ist sein Lebenswerk. Und manchmal wird ein Traumauto für ihn zum „Träumauto“, erklärt Ockhuisen. Er setzt sich gerne in eine seiner historischen Schönheiten, schließt die Augen, inhaliert den Duft des alten Leders, streicht sanft über die Materialien und träumt sich zurück in die Vergangenheit. Für ihn sind das „Momente des größten Glücks“, sagt er, und die beiden anderen Clubmitglieder nicken wissend.

Der Klang des Motors, die erhabene Eleganz.

Wie alles begann, daran kann sich Nico Ockhuisen gut erinnern: „Ich war zehn. In der Nachbarschaft gab es einen Hundefrisör. Und den besuchte regelmäßig ein Hundebesitzer, der einen herrlichen Mercedes fuhr. Eine Heckflosse, den W 111. Wenn er vorfuhr, umrundete ich den Wagen mit großen Augen und hängendem Unterkiefer. Irgendwann fragte ich, ob ich einmal mitfahren dürfte. Ich durfte.“Der Klang des Motors, die erhabene Eleganz, die anmutige Instrumententafel. Wumms, als er ausstieg, war es endgültig um ihn geschehen. Was ihn besonders fasziniert an der Marke? „Die Qualität. Der Anblick. Kein anderer Hersteller hat über einen so langen Zeitraum hinweg so viele faszinierende Autos gebaut wie Mercedes-Benz.

Stories von früher.

Ich bin gar ein so großer Fan, dass ich meiner ältesten Tochter den Namen Mercedes gegeben habe.“ Und sein Sohn, heißt der Benz? „Nein, Bram.“ Nico Ockhuisen erzählt in kleiner Club- Runde vergnügt Stories von früher. Mit dem Ponton 220 habe er seine Frau Jannie, mit der er seit 53 Jahren zusammen und seit 47 Jahren verheiratet ist, schon zu den ersten Rendezvous von zu Hause abgeholt. Der Ponton ist das Auto, mit dem die Ockhuisens bis heute am liebsten unterwegs sind.

Das wird ein Fest!

Weit über 200 000 Kilometer hat der schwarze Klassiker runter – so viele wie ein paar Dutzend seiner anderen Schmuckstücke nicht einmal zusammen, wie Clubpräsident Louis van Vliet lächelnd einwirft. Nico Ockhuisen hat noch einen großen Traum. Und seine Frau Jannie bestärkt den Sternjäger darin, dass er ihn sich erfüllt. Er will seine Schatzkammer auch anderen Mercedes-Benz Fans zugänglich machen – und mit Unterstützung des Clubs sein eigenes Museum bauen. In Baarn an der A1, nur wenige Kilometer vor Amsterdam. In zwei, spätestens drei Jahren soll Eröffnung sein. Genau hier, am Rande des Jachthafens. Das wird ein Fest!