„Was für ein aufregender, exklusiver Familienausflug, meine Vorfreude ist riesengroß“, schwärmt Sophie Schillgalies, 27, schon beim Frühstück. Ihr Freund Aron, 27, und ihre Eltern Karin, 64, und Bernd, 62, sind mit von der Partie – und genauso gespannt. Ein paar Meter weiter, auf dem Parkplatz unter Palmen, warten bereits acht Mercedes-Benz Roadster auf ihre Fahrer: vier Pagoden und vier R 107, das Nachfolgemodell.
Drei Tage voller Fahrabenteuer (einige Monate vor der COVID-19-Pandemie) in der herrlichen Landschaft Norditaliens stehen auf dem Programm, der Lago Maggiore zeigt sich von seiner schönsten Seite.
Bei der von Mercedes-Benz Classic Car Travel organisierten Nostalgic Driving Experience Tour sind 16 Teilnehmer dabei, sechs Frauen und zehn Männer. Eine internationale Gruppe, angereist aus Deutschland, Norwegen und den Niederlanden. Nicht wenige von ihnen sind noch nie einen Klassiker gefahren.
Auswahl: Lieber den W 113 nehmen oder doch den R 107?
Zeitreise: Sophie Schillgalies, ihre Eltern und ihr Freund fahren gewöhnlich Mercedes-AMG.
Sophies Vater Bernd ist im „normalen Leben“, wie er sagt, begeisterter Mercedes-AMG G-Klasse Fahrer. Auch ihre Mutter steuert im Alltag eine G-Klasse. Aron schwört auf seinen SLS AMG – und Sophie selbst, die bei Mercedes-Benz in Hamburg arbeitet, nennt selbst einen AMG ihr Eigen. Als Fan hat sie sich die drei Buchstaben sogar aufs Handgelenk tätowieren lassen, ihre Brief- und Handtasche, alles trägt das Logo aus Affalterbach. Die Pagode kennt sie bislang nur von Fotos, von Geschichten. Nach der Vorstellung des Roadbooks und der Einweisung durch die beiden Instruktoren strahlen die Gesichter; fast liebevoll werden die W 113 und die R 107 begutachtet.
G 63:
Kraftstoffverbrauch kombiniert: 14,4 l/100 km;
CO₂-Emissionen kombiniert: 330 g/km.1
Frisch gewaschen und mit bereits geöffnetem Verdeck blinken die Klassiker in der Sonne. Sigrid, 57, aus Dortmund, hat ihrem Mann Ullrich, der sonst S-Klasse fährt, dieses automobile Abenteuer zum 70. Geburtstag geschenkt. Gianluca, 23-jähriger Medizinstudent aus Amsterdam, bekam die Reise von seinem Onkel Jan zum Studienanfang spendiert. „Ein Wahnsinnspräsent“, sagt Gianluca, der zwar seit drei Jahren den Führerschein, aber gar kein eigenes Auto besitzt. Wie er die SL findet? „Großartig. Es sind sehr elegante Wagen mit richtigen Gesichtern.“
Sophie und Aron – beide sind auch als Automobil-Influencer (@sophieschillgalies, @aronvluw) auf Instagram unterwegs – entscheiden sich als Erstes für den R 107 (280 SL mit Automatik) in der recht seltenen Farbe Inkarot metallic. Alle Autos werden in den nächsten Tagen durchgetauscht, sodass jeder einmal alle unterschiedlichen Modelle fahren kann. Hier Automatik, dort Handschaltung, 230 SL, 250 SL, 280 SL, 300 SL, Baujahre 1967 bis 1988 – für jeden Geschmack ist etwas dabei.
Regenpause: Der Amsterdamer Medizinstudent Gianluca und sein Onkel Jan schließen das Verdeck des SL.
Am ersten Tag führt die Tour am Ufer des Sees entlang. Wer noch nie am Steuer eines Klassikers saß, muss sich erst einmal eingewöhnen. Fahren ohne elektronische Helfer benötigt Kraft und Gefühl. „Die Gangschaltung und auch das Lenken vor allem mit dem 230 SL erfordern ja noch richtige Handarbeit“, stellt Bernd erfreut fest. Und als plötzlich ein Regenschauer aufzieht, sehen sich alle vor eine Herausforderung gestellt: Das Verdeck muss fix geschlossen werden – und es gibt natürlich keinen Knopf, der das automatisch erledigt. Ein Blick in die Bedienungsanleitung hilft, denn dort ist das Schließen des Verdecks beschrieben.
Gianluca und sein Onkel haben Spaß bei der für sie ungewohnten Tätigkeit. Dann geht es auch schon weiter. Nach zehn Minuten strahlt die Sonne – und die Verdecke werden wieder geöffnet. Der Verkehr fließt gemächlich dahin, die Blicke auf See und prachtvolle Villen sind fantastisch, die Stimmung ist vergnügt. Schon drehen sich die ersten Gespräche darum, wie es denn wäre, würde man sich selbst eine Pagode oder einen R 107 zulegen. Vor allem Bernd ist angetan vom „Fahrgefühl und Sound der Pagode“, die er für das erste Teilstück ausgewählt hat. „Was kostet dieses Auto?“, fragt er, in den Augen ein Leuchten.
Nun: Einen alltagstauglichen W 113 in gutem Zustand gibt es ab etwa 70.000 Euro, die Grenze nach oben ist offen, für einzelne, besonders gut gepflegte Modelle werden mehr als 200.000 Euro verlangt.
Hotel Splendid: Das 4-Sterne-Seehotel mit Privatstrand, Liegewiese und großer Gartenanlage.
Ausfahrt: Elegant unterwegs – auf einer anspruchsvollen Bergetappe hoch über dem See.
Sophie erzählt derweil während einer Eis-Pause am See, dass ihre bislang einzige Erfahrung mit Klassikern in den gelegentlichen Fahrten im 190 SL eines Bekannten bestand. Das sei auch nett gewesen, aber erst hier am Lago Maggiore verstehe sie richtig, dass „Klassiker der SL Baureihe sehr cool, sportlich und etwas ganz Besonderes“ sind. Aron ergänzt, dass er auch die Blicke der Passanten genießt, die Fotos machen oder einfach nur winken und ihnen ein Lächeln schenken: „Jeder mag doch diese Autos, sie sind Sympathieträger und das überträgt sich irgendwie auch auf uns Fahrer.“
Weit vor Sonnenuntergang geht es zurück ins Hotel am Seeufer. Umziehen, eine Erfrischung an der Hotelbar, und dann tuckert die Gruppe mit dem Wassertaxi hinüber zur Isola Bella, wo ein Dinner auf der Terrasse des Ristorante Elvezia wartet. Rallyefeeling, Sonnenschein und geöffnete Verdecke folgen an den nächsten Tagen. Auf den Serpentinen des Mottarone kommen die Stärken der acht SL, mit denen sich die Fahrer nun bereits viel vertrauter fühlen, voll zur Entfaltung. Rasant geht es richtig hoch hinaus – bis auf den 1.490 Meter hohen Mottarone, von dem die Gruppe einen grandiosen Blick auf den Lago Maggiore hat.
Ob sich der Trip für sie gelohnt hat? „Die Landschaft ist einmalig, ständig wechselnde Blicke auf den See, tolles Essen“, sagt Sophie Schillgalies und verweist lächelnd auf „das Cruisen in diesen großartigen Klassikern – da kommt schon das Gefühl von Freiheit und Lebensfreude auf.“ Ringsum wird genickt. Gut möglich, dass die Mercedes-AMG G-Klasse ihres Vaters bald eine 280 SL Pagode an die Seite bekommt. Als er von diesem sonnigen italienischen Trip zurück in Norddeutschland war, hat er sich gleich auf die Suche gemacht.