Anzumerken ist es Bernhard Langer nicht, wenn man ihm gegenübersteht. Sein Gesicht ist von der Sonne gebräunt, sein Körper strahlt Spannung, Drahtigkeit, Fitness aus. Aber Langer, nunmehr 60 Jahre alt, ist sich gerade in diesen Tagen seines Alters sehr bewusst. „Es vergeht kaum ein Tag, an dem es nicht irgendwo bei mir zwickt“, sagt er und lächelt sein feines Lächeln.
Dabei ist Langer noch immer ein Vorzeigesportler, ein Profi, der sogar heute mehr Geld mit seinem Können verdient als die meisten Fußball-Profis. Vergangenes Jahr waren es allein an Preisgeld in den USA mehr als drei Millionen Dollar, oder? „Ich weiß es gar nicht genau“, sagt Langer. Andere Dinge sind längst wichtiger.
Der Mann, der in einem Alter ist, in dem anderen die Kräfte schwinden, dreht noch einmal richtig auf. Viermal hat er vergangenes Jahr auf der hoch dotierten PGA Tour Champions in den USA gesiegt. Beim US Masters, das er 1985 und 1993 gewonnen hatte, war er vergangenes Jahr erneut dicht dran, ein drittes Mal zu triumphieren. Als 58-Jähriger. Im Lauf seiner langen Karriere hat Langer so viel Preisgeld eingesammelt, dass er es in seinem Leben nicht mehr ausgeben kann. Das liegt natürlich vor allem daran, dass ihn ein luxuriöses Leben nicht interessiert. Der Sport ist es, der ihn interessiert. Und da lässt er nicht locker.
Seine Gegner verstehen den ewigen Rivalen schon längst nicht mehr. Der spanische Kollege José María Olazábal, auch ein Masters-Sieger, glaubt, der Deutsche sei normalen Alterungsprozessen nicht unterworfen. Manch einer gibt sogar offen zu, dass er froh ist, wenn er Langer bei einem Turnier nicht sehen muss. „Ich kann schon verstehen“, sagt Langer, „dass die sich freuen, wenn ich mal nicht spiele.“
Der Weg Langers begann Ende der 70er-Jahre und führte ihn bereits 1986 an die Spitze der Weltrangliste. Der Mann ist der Marke Mercedes-Benz seit langer Zeit verbunden und zweifellos ein Weltstar. In seiner Heimat jedoch ist er beinahe etwas in Vergessenheit geraten – er besucht keine Talkshows und lässt sich bei kaum einem Empfang blicken.
Sicher, Langer lebt seit vielen Jahren mit seiner Familie in Boca Raton/Florida. In einem Privatclub, der hinter einer Schranke liegt, die nur ein Pförtner mit Zustimmung eines Gastgebers öffnet. Aber kein Wahlamerikaner aus Deutschland könnte mehr Liebe zu seiner Heimat im Herzen tragen als Bernhard Langer aus Anhausen bei Augsburg. Direkt neben seinem heute oft verwaisten Eigenheim steht hier das Haus seiner Eltern. Ein schlichter Bau, in dem er aufgewachsen ist und seine geliebte Mutter Walburga und Vater Erwin, ein Maurer, ihre Kinder Erwin, Maria und Bernhard aufzogen. Von dort aus ist er als kleiner Junge in den Golfclub Burgwalden geradelt, um ein paar Mark als Caddie zu verdienen.
Es sind rund sieben Kilometer, die zunächst durch das Dorf führen, vorbei an einer Gastwirtschaft, in der seine Mutter als Serviererin gearbeitet hat. Die Langers waren, wie man in Schwaben sagt, „ordentliche Leut’“. Aber zu einem Taschengeld für die Kinder hat es nie gereicht.
Vom Ort aus verläuft der Weg durch einen Wald, vorbei an mehreren Weihern, hinauf zum Golfclub. Dort begann die Karriere des „Buben“, wie seine Mutter ihn nannte. Bei einem Besuch in der heimischen Küche erzählte sie mir davon, wie sie sich daran erinnerte, als Bernhard zu ihr kam und sagte: „Mama, ich will Golfprofi werden.“ Damals sei sie fassungslos gewesen. Sie antwortete: „So einen Beruf gibt es doch gar nicht!“ Als sie die Anekdote erzählte, hatte Bernhard Langer bereits zweimal in Augusta beim US Masters gewonnen, aber für Walburga Langer war und ist er immer noch der „Bub“.
Als Mensch ist Bernhard Langer in der Öffentlichkeit in all den Jahren weitgehend in Deckung geblieben. Manche halten ihn daher für etwas unnahbar. Er ist ein tiefgläubiger Christ, das ist bekannt, er hat vier Kinder zusammen mit seiner amerikanischen Frau Vikki, für die er um das Jahr 2000 seine Heimat verlassen hat. Die Entscheidung, nach Florida umzuziehen, ist Langer schwergefallen, sehr schwer.
Golfen ist ein Spiel, in dem es auf Nuancen ankommt, und Langer ist ein empfindsamer Mann. Auf Krisen hat er immer sensibel reagiert. Sorgen wirkten sich auf sein Spiel, seine Schläge aus, mehrfach zitterten ihm über Monate die Hände so stark, dass selbst Putts aus weniger als 50 Zentimetern zum Loch zu einer Herausforderung wurden. „Yips“ wird diese Golferkrankheit genannt, und sie hat Karrieren großer Golfer beendet.
Seine vielleicht schwerste Bewährungsprobe bestand Langer 1989, als er in El Saler bei Valencia die Spanish Open gewann.
In der letzten Runde war sein größter Konkurrent ein eher unbekannter Engländer namens Paul Carrigill. Für einen wie Langer kein Grund, nervös zu sein – hätte er nur seine Hände kontrollieren können. Langer löste das Problem, indem er einen Griff fürs Putten entwickelte, bei dem er sich zwar tief nach unten beugen musste, aber seine Puttbewegung über seine Unterarme steuern konnte. Und besiegte so sein Zittern. Der Sieg: eine Erlösung.
Willensstark war Langer immer, als Widersacher unerbittlich und bis zum letzten Moment eines Turniers konzentriert. Diese Konstanz trägt sein Spiel noch heute. Wie viel Humor er aber hat, dass er auch ausgelassen lachen kann, ist ihm auf dem Platz kaum anzusehen. Diesen anderen Bernhard kennt vor allem seine Familie. Als die Frau seines Bruders Erwin, Sigi, einmal ihren Geburtstag in Anhausen feierte, war auch er zufällig zu Hause. Zur Party kam Bernhard in Badelatschen, er war ja daheim. Er reihte sich ein in den Chor, der der Jubilarin im Elternhaus ein Ständchen sang. Der zweimalige Masters-Sieger war ein Gast von vielen und genoss jeden Moment.
Sich als etwas Besonderes zu fühlen und Vorzugsbehandlung zu erwarten, kam für Langer nie in Frage. Als er in den 90er-Jahren regelmäßig zum Skifahren nach Zürs an den Arlberg fuhr, stellte er sich wie alle anderen in der Schlange zum Lift an. Oben am Berg angekommen, gab es dann kein Halten mehr. Hans Rauchensteiner, ein Fotograf aus München und guter Skifahrer, jagte dem Golfer mit wehendem Anorak und Kamera um den Hals hinterher. Er bekam seine Fotos doch noch, weil Langer schließlich auf ihn wartete.
Wie mitfühlend und engagiert Langer sein kann, zeigte sich, als sein amerikanischer Kollege Paul Azinger an Krebs erkrankte. „We all miss you“ stand auf einem Plakat, das dem Major-Sieger von einem Turnier in Phuket, Thailand, aus zugestellt wurde. Für die persönlichen Grüße hatte Langer drei der Anfang der 90er-Jahre bekanntesten Golfer organisiert: Greg Norman, die Nummer eins der Welt, den Engländer Nick Faldo, und den Amerikaner Fred Couples, der gerade das US Masters gewonnen hatte. Es war eine spontane Aktion, eine Geste.
Hilfsbereit ist Langer stets: Als wir einmal ein Pro-Am-Turnier zusammen spielten, kniete er sich hinter mich, hielt meine Beine fest, um mir zu zeigen, dass ich beim Schwung zu sehr zur Seite schieben würde. Einen Masters-Sieger als Golflehrer hat man nicht alle Tage.
Wie viele Jahre er seine Karriere noch fortsetzen wolle, fragte ich Bernhard Langer kürzlich. „Solange ich Spaß am Golf habe und meine Gesundheit mitspielt“, antwortete er. Nach all den Jahren ist seine Leidenschaft lange nicht erloschen.