Wälder können heilen.

Wälder können heilen. Nur wenige Schritte hinein in die grüne Welt, dann entfaltet sie bereits ihre Wirkung: Das Herz schlägt langsamer, die Atmung wird tiefer. „Shinrin-yoku“ (übersetzt: Waldbaden) nennt sich eine Form der Therapie, die von Japan aus die westliche Welt erobert. Inzwischen haben auch mehrere Studien gezeigt, dass das Eintauchen ins Grün die Kreativität steigert, Konzentrationsphasen verlängert und das Immunsystem stärkt. 

Fassade mit Garten – darauf fliegen Schmetterlinge.

Baumhaus reloaded: das Ensemble „25 Verde“ in Turin. Der Architekt: Luciano Pia.

Städte bestehen aus Beton.

Es wundert also nicht, wenn sich Städter immer öfter nach einem Leben mit mehr Natur sehnen. Denn in der Stadt ist sie ein rares Gut. Und doch haben es die wenigsten Metropolen geschafft, ihren Bewohnern diese Sehnsucht zu erfüllen. „Die Forderung nach organischer Architektur ist mehr als ein Jahrhundert alt“, sagt der New Yorker Architekt Mitchell Joachim, „aber die Städte bestehen aus Beton, Stahl und Glas.“ Joachim macht nicht viele Pausen, wenn er über seinen Job als Architekt und seine Leidenschaft für die Natur spricht, aber in diesem Moment hält er inne. Er sagt: „Wirklich organisch bauen, das können wir seit ein paar Jahren. Jetzt ist die Technologie endlich so weit.“ 

Schon wenig Grün verbessert das Klima.

Biophiles Bauen, biophiles Design: Für Mitchell Joachim ist dieses Konzept mehr als nur eine Laune der Architektur. Es ist der einzig denkbare, der einzig vernünftige Ansatz: die Natur in jeden Winkel der Stadt zu tragen. Nicht nur, weil es ökologisch sinnvoll ist. Sondern auch, weil uns der Anblick von Natur entschleunigt, uns achtsam werden lässt. 

Netter zu uns selbst und netter zu den anderen – ein Klima-Verbesserer, in jeder Hinsicht. Wofür es im Übrigen nicht mal einen Wald braucht. 2015 fanden Forscher in Kanada heraus, dass schon einzelne Bäume in den Straßen dicht besiedelter Wohnviertel zu einer verbesserten Gesundheit der Anwohner führen. 

Doppelter Effekt: Stefano Boeris grüne Zwillingstürme prägen seit 2014 das Bild von Mailand.

Green Living.

Der Mensch hat die Natur dringend nötig. Vor allem in der Stadt, in der die Einwohner den größten Teil des Tages in geschlossenen Räumen verbringen. Aber selbst dort setzt sich immer mehr Green Living durch. Und so wuchert es drinnen wie draußen, an Bahnhöfen und in Ballungsgebieten, in New York, Berlin und Buenos Aires. In Mailand hat der Architekt Stefano Boeri die Zwillingstürme eines Wohngebäudes mit 900 Bäumen bepflanzt – „Bosco Verticale“, senkrechter Wald, heißt das spektakuläre Projekt. Mehr als 30 Tonnen Kohlenstoffdioxid und 80 Kilogramm Feinstaub nimmt der Fassadenwald jährlich auf – und lässt die Innentemperatur um drei Grad sinken. Ein Effekt, der auch bei einem Hochhaus in Kuala Lumpur zu mehr Energieeffizienz führt: Hier, ebenso wie in Paris, hat der französische Gartenarchitekt Patrick Blanc effektvoll Gebäude begrünt. 

Urbane Wohlfühloasen für Mensch und Tier.

Und auch im Kleinen vollzieht sich der Wandel: In der niederländischen Stadt Utrecht finden sich auf über 300 Bushaltestellen kleine Blumenwiesen. Die Utrechter nennen sie liebevoll „Bee Stops“. Es ist wohl auch kein Zufall, dass Tatiana Bilbao aus Mexiko-Stadt gerade mit dem Architekturpreis Marcus Prize ausgezeichnet wurde. Eine Architektin, die für nachhaltigen Wohnungsbau steht und ihren Fokus auf die Bedürfnisse der Menschen richtet. In ihren innova­tiven Konzepten spielt die Natur eine Hauptrolle. Wie das Ferienhaus im mexikanischen Monterrey, dessen verspiegelte Glashülle die Bäume reflektiert und somit eins wird mit der bewaldeten Umgebung. 

Tatiana Bilbaos Haus in Monterrey (Mexiko) sorgt für einen fließenden Übergang von Natur zu Wohnraum.

Nachhaltig: Bei ihren innovativen Arbeiten setzt die mexikanische Architektin auf regionale Materialien.

Symbiose von Technologie und Biologie.

„Design with Life“ lautet das Motto der Beratungsagentur Terreform One unter Leitung des eingangs zitierten New Yorker Architekten Mitchell Joachim. Hier tüfteln Architekten gemeinsam mit Ingenieuren und Biologen an Stadtvisionen, in denen Häuser in Bäumen, Sitzbänke aus Pilzsporen oder Wände aus laborgezüchteten Knochen wachsen. Was zunächst irritiert, ist im Endeffekt einleuchtend: Joachim möchte eine Symbiose von Technologie und Biologie erreichen. Die Vision dabei: das nahtlose Zusammenspiel von Stadt, Mensch und Natur.

Gebäude mit Schmetterlingsgarten.

Derzeit entsteht ein mehrstöckiges Gebäude mit einem Schmetterlingsgarten in der Fassade. Auf die Idee kam Joachim, als er vom Sterben der Monarch­falter hörte – bildhübsche Schmetterlinge, die Flügel leuchtend orange und schwarz gezeichnet. „New York ist ihre Heimat, aber in den vergangenen Jahren haben wir Milliarden Monarchen verloren. Die Stadt ist zu ihrem Feind geworden. Deshalb schenken wir ihnen in Manhattan ein eigenes Biotop.“

In Mitchell Joachims Architekturvision in Manhattan gehen Natur und Architektur eine Symbiose ein.

Weitere Informationen.

Mitchell Joachim

Tatiana Bilbao

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