„Er soll sich selbst überraschen.“

Sie möchte, dass ihre Bilder leuchten. Dass der Betrachter Dinge fühlt, die er zuvor noch nicht gefühlt hat. „Er soll sich selbst überraschen“, sagt Theresa Kallrath. In der Ferne zeichnen sich die Schatten der Schärenwelt ab. Die Lichter des Riesenrads im Freizeitpark Gröna Lund werden langsam heller und strahlen in die endlose blaue Stunde hinein. Um 23 Uhr ist es auf der Fjällgatan, am Rand des Stadtteils Södermalm, noch immer nicht dunkel. Kallraths Blick schweift über Stockholm und das dramatische Lichtspiel des Himmels.

Im Vasaparken arbeitet die Künstlerin an Skizzen für ihre großformatigen Malereien.

Bummel durch das hippe Södermalm: Theresa Kallrath wartet auf ihre Freunde Jessica und Florian.

Ein wenig wie nach Hause kommen.

Am nächsten Vormittag beugt sich Theresa Kallrath über Zeichnungen, auf denen Rot und Blau zu explodieren scheinen. Skizzen für ihre großformatigen Malereien. Sie sitzt in der Morgensonne auf einem Felsen, der den Vasaparken in zwei Hälften trennt. Nebenan versammeln sich Schwedinnen zum Frühsport, ein paar Meter weiter erwacht ein Kindergarten zum Leben. Der Wind weht das Kichern und Plappern von einem Spielplatz herüber. Bei schönem Wetter arbeitet die Künstlerin gerne im Freien. Auf dem Hof vor ihrem Atelier in Düsseldorf, wo sie wohnt, und nun hier in Stockholm, einer Stadt, die ihr sehr vertraut ist. Ein Besuch ist für die 31-Jährige ein wenig wie nach Hause kommen, denn Theresa ist zwar in Deutschland geboren, durch ihre Mutter aber hat sie einen schwedischen Pass, und bei Lund wohnt noch heute ein Großteil ihrer Verwandtschaft.

„Nur wenige können von der Kunst leben.“

Nach ihrem Abschluss an der Düsseldorfer Kunstakademie, einer der bedeutendsten der Welt, an der Professoren wie Joseph Beuys den Betrieb aufmischten, Hilla und Bernd Becher die Fotografie revolutionierten und heute weltbekannte Künstler wie Andreas Gursky unterrichten, lief es schnell ziemlich gut für sie. Ihre großen Malereien strotzen vor Energie. Theresa trägt bis zu 15 Schichten Farbe auf. Lässt sie aufplatzen, malträtiert sie mit einem Messer oder schleift das ganze Bild über den Boden des Ateliers. „Meine Art zu arbeiten ist sehr robust“, sagt sie.

Nach einem Abstecher in das golden glänzende „Sven-Harrys Kunstmuseum“, das direkt an den Park angrenzt, fährt Theresa mit der neuen A-Klasse Richtung Gamla Stan, dem verwinkelten historischen Zentrum. Im Alltag in Düsseldorf legt sie die meisten Strecken mit einem smart von car2go zurück. Jetzt steuert sie die A-Klasse durch die kaum befahrenen Straßen Stockholms.

Zur Sommersonnenwende verlassen die meisten Einwohner die Stadt, um das Fest bei ihren Familien auf dem Land zu feiern. Eine ungewohnte Stille liegt über den Dingen. Als hielte die Stadt den Atem an.

In Gamla Stan trifft Theresa ihren Bruder zum „Fika“, dem Kaffeeplausch, es gibt Kardamomschnecken. Martin Kallrath hat seine Karriere in der Wirtschaft aufgegeben, um hauptberuflich seine Schwester zu unterstützen. Er organisiert den Kontakt zu Galerien, kümmert sich um die Presse und hält die Verbindung zu Sammlern. „Die Bilder meiner Schwester geben den Betrachtern eine schwer zu erklärende Kraft“, sagt Martin. „Allein in Düsseldorf gibt es Tausende Künstler, nur wenige können von der Kunst leben. Meine Schwester hat das nach kurzer Zeit geschafft. Das macht mich schon ein bisschen stolz.“

„Mit robustem Handwerk“, sagt Theresa Kallrath, entstünden ihre Malereien.

„Ohne Licht gibt es keine Farben.“

Für den Weg zur nächsten Verabredung nutzt Theresa spontan die Sprachsteuerung des neuen Infotainment-Systems MBUX. „Hey Mercedes, zeig mir den Weg zum Tak-Restaurant.“ Auf dem Display erscheint die Route zu einem der kulinarischen Hotspots der Stadt. Direkt über dem Restaurant liegt eine Bar, von der aus man einen spektakulären Blick genießt. „Ohne Licht gibt es keine Farben“, sagt Theresa, während sich der Himmel über Stockholm zuzieht. „Leuchtende Farben faszinieren uns, haben aber auch die Macht, uns zu beeinflussen.“

Einfach machen.

Als die Wolken nach einem kurzen Regenschauer wieder aufreißen, macht sich Theresa auf zu einem Bummel durch das hippe Viertel Södermalm. Hier zeigt sich das kosmopolitische Stockholm von der besten Seite. Die bunten Altbauten bieten die perfekte Kulisse für Galerien, Bars und Boutiquen. Später geht es hinein in das „Berns“. Das Haus ist Hotel, Bar und Restaurant in einem, eine Institution in Stockholm. Die Freunde diskutieren. Über Aufbruchsgeist und woher es kommt, dass die Schweden kaum Angst vor dem Scheitern haben. Das ist hier kein Weltuntergang, eher Ansporn, es noch mal zu versuchen. Eine ­Eigenschaft, die auch Theresa Kallraths Arbeit prägt. Ihre Malereien streben nach Offenheit. Die wilde Wirkung der Farben, die raue Oberfläche, die Kraft, die aus ihnen spricht, künden von Aufbruch. Einfach machen, das Publikum dabei mitreißen.

Bei der Heimfahrt gleiten die erleuchteten Schaufenster vor den Scheiben vorbei. ­Warum sie sich irgendwann entschloss, keine konkreten Dinge mehr zu malen? Es habe ihre Kunst persönlicher gemacht, sagt Theresa Kallrath. Seitdem bedeuteten ihre Malereien für sie und jeden Betrachter etwas anderes. Ja, ihre Bilder sollen leuchten. Die verwirbelten Farbschichten wirken hypnotisch, anregend und beruhigend zugleich. Das macht sie nicht nur ästhetisch schön, sondern auch emotional.

Sanft: Theresa Kallrath genießt das Licht von Schwedens Mittsommersonne.

„Es geht um Freiheit und Unabhängigkeit.“

„Es wäre vermessen, zu viel vorzugeben“, sagt Theresa. „Es geht um Freiheit und Unabhängigkeit. Meine und desjenigen, der meine Kunst anschaut. Sonst ruiniere ich die Fantasie.“

Theresa beschleunigt, die Stadt zieht schneller vorbei. Wenn man die Augen zusammenkneift, verschwimmen die Lichter und verschmelzen in der Dämmerung zu einem abstrakten Farbenspiel.

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