Die Folgen der digitalen Revolution, das radikal Neue unserer Zeit zu verstehen – damit haben wir Menschen gerade erst begonnen. Nach dem Übergang von den Jägern und Sammlern zur Agrargesellschaft vor 10 000 Jahren und dem Übergang zur Industriegesellschaft vor 200 Jahren erleben wir gerade den dritten großen Wandel der Geschichte. Früher ging es darum: Wem gehört das Land? Dann: Wem gehört das Kapital? Heute ist die große Frage: Wem gehört das Wissen? Als Investor bin ich Optimist. Uns treibt um, in dem Meer an Ideen die guten Ideen zu finden. Jene Ideen, die Substanz haben und einen positiven Beitrag zu diesem historischen Wandel leisten. Das revolutionäre ökonomische Prinzip des digitalen Zeitalters lautet: Die Grenzkosten der Herstellung sind gleich null.
Albert Wenger | Illustration: Jindrich Novotny
Das 1 000. Auto ist unwesentlich billiger zu produzieren, als es die 999 davor waren. Das ist die Logik des Industriezeitalters. Einen weiteren Schüler aber in eine digitale Bildungsplattform aufzunehmen, kostet mich null Cent. Das ist die Logik der neuen Zeit. Wir schauen nach Ideen, die die daraus erwachsenden Chancen abbilden. Also finanzieren wir nicht etwa Start-ups, die Studenten in den USA einen leichteren Zugang zu Stipendien ermöglichen – sonst investierten wir in ein Bildungssystem, das den Zugang zu Wissen durch hohe Studiengebühren verknappt. Nein, wir wollen nicht die Symptome lindern. Wir wollen das System ändern.
Ein Start-up, in das wir investiert haben, bietet für neun bis zwölf Dollar pro Monat Zugang zu Tausenden von Klassen. Bildung wird erschwinglich – und das ist großartig. Ein anderes unserer Start-ups arbeitet beispielsweise an diagnostischer Intelligenz: Ein Arzt braucht heute Zeit für seinen Patienten, Räume, Technik, das kostet Geld. Der Computer hingegen wird beliebig vielen Menschen zunächst eine Zusatzdiagnose bieten, eines Tages aber womöglich die Erstdiagnose ersetzen. Und zwar kostenlos. Entscheidend sind für uns bei all dem aber auch die Menschen hinter den Ideen.
Wir reden sehr viel mit den Gründern. Wir prüfen, ob sie substanziell nachgedacht haben. Wir machen uns über ihre Persönlichkeit Gedanken. Und wir schauen uns ihre Plattform und den Code dahinter an. Es ist so, als wenn man die Motorhaube bei einem Auto öffnet. Dabei sind wir als Investoren sehr früh dran, in einer Phase also, in der eine rationale Bewertung mitunter kaum möglich ist. Man liegt daher oft falsch. Die Kunst ist es, möglichst oft nicht falsch zu liegen.