Muße ist dafür gefragt, Geduld und Können.

Wer baut die besten Segelflugzeuge der Welt? Nein, es sind keine Computer. Es sind auch keine laserge­steuerten Fräsen oder mit Daten voll­ge­pumpte 3D-Drucker. Es sind die Hände des Menschen. In der Manufaktur der Schleicher-Werke auf der Rhön entstehen sie: die eleganten Gleiter der Weltmeister. Die spiegel­glatten und schneeweißen Segelflugzeuge werden hier noch per Hand geformt und geschliffen, Millimeter um Millimeter und am Ende mit 2000er-Schleifpapier, feiner als jede Zeitungsseite. Muße ist dafür gefragt, Geduld und Können.

Tasten, hobeln, kneten.

Und die hübschen Vögel der Segelflieger sind nur ein Beispiel. In vielen Manufakturen schlägt noch immer altes Können jedes moderne Hightechverfahren: Handarbeit. Das Auge des Menschen, sein Fingerspitzengefühl. Seine Fähigkeit zu spüren. Zu tasten, zu hobeln, zu kneten. Zu verfei­nern und zu veredeln. Und vielleicht ist letztlich sogar dies entscheidend: die unnachahmliche Kunst, mit dem Bauch zu denken. Intuition. Hingabe.

Versunken in Schweigen und Kontemplation.

Uhrmacher sitzen stundenlang vor ihren auf Kugelgelenken gelagerten Schraubstöcken, tauchen mit spitzen Fingern ein in die filigranen Eingeweide von Uhrwerken, Zugfedern und winzigen Rutschkupplungen. Porzellanmaler ornamentieren ihre Stücke mit Pinseln aus feinstem Fehhaar, gefertigt aus dem Winterfell der Bauchseite sibirischer Eichhörnchen. Und die handgeschmiedeten Lagen edler Damastklingen verlangen ebenfalls weitaus mehr als nur kalte Effizienz und genaue Fertigung. Wochenlang sitzen die Messermacher oft vor ihren immer schärfer werdenden Pretiosen. Nicht selten versunken in Schweigen und Kontemplation.

Es muss makellos sein.

Es geht bei diesen Stücken um perfekte Oberflächen, feinste Winkel. Es geht um die Freude am Material, um perfekte Mischungen, Kurven, Formen und Funktionen – und vielleicht auch um eine gewisse Form der Besessenheit. Versierte Ins­trumentenbauer wissen das ebenso gut wie manche Küchenhersteller, Kompasskonstrukteure, Sattler oder Schuster. Doch ist es am Ende schwer zu sagen, was meisterliches Handwerk wirklich ausmacht. Sicher, es muss den Händen schmeicheln, dem Auge. Es muss makellos sein. Aber auch das reicht eben nicht.

Mit Liebe gemacht.

Denn letztlich geht es um eine nur schwer zu beschreibende, manchen Produkten aber sehr wohl innewohnende Schönheit der Dinge. Ein hoher Wert liegt darin, zu bemessen keineswegs nur mit Geld. Es geht um eine Haltung. Um die Idee des Langlebigen in einer Welt der Wegwerfdenke und atemlosen Effizienz. Viele Handwerker stellen sich bewusst gegen das große, schnelle Rad der Massenproduktion. Verschwinden hinter ihren Werkbänken und feilen an dem, woran ihr Herz hängt. Der Volksmund weiß übrigens am besten, wann man einem Produkt diese Mühe ansieht. Er sagt dann ganz einfach: mit Liebe gemacht.

Siegfried Schröttner beugt sich über ein großes Stück Leder. Beäugt es, streicht mit den Händen darüber. Fühlt, riecht. Nur vollnarbiges Rindsleder mit einer organisch-mineralischen Mischgerbung kommt für den Produktionsmeister infrage. Und findet er einen Fehler, selbst kleinste Spuren von Insektenstichen, Warzen oder Ablösungen, dann sortiert er das Stück gnadenlos aus. Für die Ausstattung der G-Klasse kommt es gar nicht erst infrage. Siegfried Schröttner und seine Kollegen haben viel zu tun, schon bei der Auswahl des Materials. Gut 22 000 Quadratmeter Rohlederhäute lagern ständig in der designo manufaktur, über 200 000 Quadratmeter werden jedes Jahr verarbeitet. Lagen an feinem Nappa- und Luganoleder von mittel­europäischen Bullen aus der Stallhaltung. Nach den Adleraugen der Qualitätsprüfer muss das Leder aber noch diverse Tests bestehen. Zugfestigkeit, Schrumpfverhalten, Klimatest – überall müssen die Noten stimmen. Erst dann geht es in den Zuschnitt. Großflächige Brückenstanzen stehen dort, Wasserstrahl- und Messerschneider, Spaltanlagen und Schärfmaschinen. Präzise werden Stanzmesser aufgelegt, Bahnen ausgeschnitten, Flächen ausgestanzt. Millimetergenau. Doch die Feinarbeit kommt erst noch – und nun sind ruhige Hände gefordert.

Etwa die von Anita Rathkolb und Klaudia Eicher, die als ausgebildete Schneiderinnen die Leder­häute zusammenfügen. Sie müssen dafür die Kunst des Indianapolis-Stichs beherrschen, müssen mit gerundeten Polsternadeln Türgriffe beledern, Ziernähte setzen und Rautenmuster einsteppen. „Dafür braucht man Konzentration, ein gutes Auge und viel Gefühl“, sagt Anita Rathkolb. Viele Nahtstellen sind zudem schwer zugänglich, wie jene an den Haltegriffen des Innenhimmels. Keine Maschine der Welt kann innenseitige Ziernähte aufbringen, kann sozusagen blind um die Ecke nähen. „Man muss jedes Teil kennen, seine Form verinnerlicht haben“, sagt Anita Rathkolb. Hinzu kommt: Bei der G-Klasse hat jeder Kunde andere Vorstellungen, kann sich Ziernähte, Lederfarben oder Steppungen aussuchen. Design-Nähte zieren Hecktürspiegel, Kopfstützen und Sitze, auch der Deckel der Mittelkonsole ist von feinem Faden umgarnt. Und das in vielen Wunschfarben: Sattelbraun, Seidenbeige, Tiefseeblau. Dass sich Fahrer und Passagiere in dem Geländewagen am Ende wie in einer luxuriösen Lounge fühlen, hat einen Grund. Es liegt nicht nur an der Technik, sondern auch daran, dass der Beruf des Fahrzeuginnenausstatters bei Mercedes-Benz nun schon seit 70 Jahren gelehrt und praktiziert wird. Und mit Bits und Bytes kommt man da nicht weit. Wohl aber mit Nadel und Faden, Hand und Herz.

Breite Riemen ziehen sich durch den Raum, Rührbottiche rumoren, Ventile zischen. Seit über 100 Jahren sind Filterpresse und Schlagmaschine im Einsatz, in der Massemühle funktioniert alles wie in alten Tagen: Wasserkraft treibt all die Maschinen an. Mittendrin steht Dieter Zeus. Als Massemüller stellt er seit 37 Jahren die Rohmasse für das Nymphenburg-Porzellan her – einer der wenigen, die in das Geheimnis der Produktion eingeweiht sind. Die richtige Mischung aus Quarz, Feldspat und Kaolin hinzubekommen, ist eine Kunst. Kaolin bringt die Festigkeit in den Werkstoff, Feldspat den Glanz. Die genaue Rezeptur wird niemals verraten. Nachdem das zermahlene Rohkaolin gereinigt ist, werden Quarz und Feldspat in Trommelmühlen 30 Stunden gemahlen. Dann muss der Kaolinbrei mit dem Mahlprodukt im Rührbottich vermischt und in die Filterpresse gepumpt werden. Und nun legt sich Dieter Zeus mächtig ins Zeug. Neben der Filterpresse drückt er mit aller Kraft eine Hebelstange nieder, bis die Masse aus der Presse kommt – als viereckiger Fladen. Penibel achtet er dabei auf Geschmeidigkeit und Homogenität der Porzellanmasse. „Wer eine Sensibilität für die Konsistenz der perfekten Porzellanmasse entwickeln will, braucht Jahre an Erfahrung.“ Und noch etwas: Muckis.

Luca Distler steht vor der Schmiedeesse, blickt in die 1200 Grad heiße Glut. Funken fliegen, Schlacke spritzt durch die Werkstatt. Mit der Hand führt er einen Haltestab ins Feuer, an dessen Ende ein 2,5 Kilo schweres „Paket“ aus Stahl angebracht ist. Die Rohmasse für seine Messer. Denn beim Feuerschweißen über der glühenden Steinkohle muss er das Material für seine Klingen erst einmal herstellen. Distler nutzt dafür eine spezielle Legierung, drei verschiedene Stahlarten, Mischung und Machart verrät er nicht. Betriebsgeheimnis. Den Klotz aus fünf Lagen Stahl muss er nun gleichmäßig erhitzen. Die Lagen aus Stahl beginnen zu glühen, durch den Abzug zischt und faucht es. Dann faltet Distler die heißen Schichten zusammen, wie ein Buch, das man zuklappt. Und noch mal zuklappt. Und noch mal. Einen schweren Hammer hält er in der anderen Hand, schlägt damit auf die sich türmenden Lagen. Faltet sie erneut, haut wieder zu. Verbinden sollen die sich häufenden Stahlschichten, sich in der Glut des Gefechts regelrecht miteinander vereinigen: bis am Ende 320 Lagen feinsten Damaststahls zu einem perfekten Rohling verschmelzen. Die alte Technik ist der Schlüssel zur Qualität. So hart wie nur möglich sollen die Klingen sein, durch die vielen Faltungen aber auch ihre markante Maserung erhalten. Denn erst so besitzt jede Klinge am Ende ihr eigenes Gesicht. Ihren Charakter.

Das Schmieden des Stahls sei harte Muskelarbeit. „Als würdest du den ganzen Tag mit kiloschweren, glühenden Hanteln hantieren“, sagt Dist­ler. „Abends bist du platt.“ Fertig sind die Mes­ser noch lange nicht. Die Rohlinge müssen geschmiedet, die Klinge herausgearbeitet werden. Es folgen das Schleifen, Glätten, Polieren. Das Ätzen in Säure, damit das Damastmuster schön hervortritt. Das Satinieren der Oberfläche, bis sie glatter ist als ein Spiegel. Die Griffe wollen gefertigt werden, geschnitzt aus Wüsteneisenholz und Wasserbüffelhorn, geformt aus Mooreiche oder dem Elfenbein uralter Mammuts, die aus dem russischen Perma­frost geborgen wurden. Danach folgen Gravuren, Silbernieten, Perlmutteinlagen. Ätherisch feine Verzierungen, auf besonderen Kundenwunsch haben. Distler und Florian Pichler die Griffe auch schon mit Leopardenköpfen und Aktzeichnungen versehen.

Einige der Messer entstehen in zwei Tagen, an anderen feilen die beiden Perfektionisten bis zu 300 Stunden. Manche hätten sie darum schon für „bekloppt“ erklärt. Doch vielleicht gehört genau das dazu. Nicht umsonst sind die Messer am Ende nicht nur bildschön, sondern auch so scharf, dass sich mit ihnen Haarspalterei betreiben ließe.

Einen Konzertflügel zu bauen ist ein komplexes Unterfangen. Das beginnt schon bei der Auswahl des Holzes für den Resonanzboden, die Seele des Instruments. C. Bechstein verwendet dafür nur Bergfichte, die oberhalb von 1000 Metern wächst. Auch Ahorn, Buche und Mahagoni werden für viele Teile verwendet. Rastenbalken, Zarge, Gehäusewände, Tasten, Spielwerk, Hammerköpfe: Ein Flügel besteht aus rund 20 000 Einzelteilen, die Produktion des Konzertflügels dauert ein Jahr. Eine besonders diffizile Aufgabe übernimmt dabei die Klavierbauerin Katrin Schmidt: Sie muss das Instrument mit allen 230 Saiten stimmen und intonieren. Wahrlich kein leichtes Unterfangen, denn die neuen Stahlsaiten geben zu Beginn eines Flügellebens ständig nach. Zudem reagiert das neue Klavier ständig auf Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsveränderungen. Ein Drahtseilakt: als solle Katrin Schmidt eine Horde durcheinandersummender Kinder in Einklang bringen.

Dafür muss sie das Instrument immer wieder nachstimmen, die Saiten dehnen und strecken. Mindestens vier Stimmungen sind an sämtlichen 230 Saiten nötig. Katrin Schmidt setzt dafür jedes Mal einen Stimmhammer auf die Wirbel, muss jede einzelne Saite mit feinsten Drehungen auf die richtige Spannung bringen – und dabei immer ganz Ohr sein. Denn lediglich den Kammerton gibt anfangs ein Messgerät vor: Danach macht Frau Schmidt alles per Gehör! „Es bedarf jeder Menge Übung“, sagt sie, „um diesen Arbeitsvorgang zu erlernen. Zu Beginn der Ausbildung muss man darum jeden Tag drei Stunden nur eines üben: das Stimmen.“

Als nächstes sind die Hammerköpfe dran. Jene kleinen „Klöpfel“, die für den Anschlag der Saiten verantwortlich sind. Schon beim Einbau muss dabei alles sitzen: Winkel, Spatien, Steighöhen. Abweichungen von einem Zehntelmillimeter können den Klang des Flügels bereits beeinträchtigen. Und nun muss Frau Schmidt den Flügel intonieren, muss immer wieder lauschen, nachbessern – bis auch hier alles „stimmt“. Sie bearbeitet dafür alle 88, mit australischer Merinowolle umleimten Hammerköpfe einzeln. Mit einem Intoniernadelhalter sticht sie in die filzbezogenen Hammerköpfe, verändert ihre Form, Härte und Elastizität, bis Klangfarbe und Lautstärke am Ende perfekt harmonieren. Die Kunst des Intonierens sei nur schwer zu erklären. Jeder einzelne Hammerkopf besitzt sein eigenes Innenleben, seinen eigenen Charakter. „Man muss das fühlen“, sagt Katrin Schmidt. Und umschreibt recht lapidar die vielleicht heiligste Arbeit im Klavierbau. Geht es hier doch um nichts Geringeres als den guten Ton. Ohne Frage ein Handwerk für sich. Oder besser: eins für die Ohren.

'Der Wald ist ein meditativer Ort.'

Herr Paintmeier, gehen Sie oft in den Wald?

Natürlich. Der Wald ist ein meditativer Ort, ich liebe den Wald. Und er ist die Heimat unseres Produkts. Nirgends sonst komme ich den Bäumen näher.

Woher bekommen Sie Ihr Holz?

Bis zu zwölf Mal im Jahr besuche ich Händler in Deutschland und Europa und inspiziere deren Lagerbestände. Den Großteil unseres Holzes kaufen wir im Frühjahr. Da es im Winter geschlagen und verarbeitet wird, bekommen wird dann das beste Holz.

Gibt es den Kaviar unter den Hölzern?

Manchmal tauchen echte Raritäten auf, etwa seltene Mooreiche. Die Händler rufen uns dann extra an.

Eine Mooreiche, 2970 Jahre alt.

Mooreiche?

Ein absoluter Glücksfall, vor allem, wenn sie auch noch für die Furnierverarbeitung geeignet ist. Der Stamm sollte komplett intakt sein, dafür muss der Baum die letzten 1000 bis 3000 Jahre luftdicht verschlossen gewesen sein – also in einem Vakuum im Moor gelagert haben.

Woher wissen Sie, dass die Bäume so alt sind?

Das Alter lässt sich mit einer Karbonanalyse recht präzise bestimmen. Neulich bekamen wir eine Mooreiche angeboten, die 2970 Jahre alt war.

Was ist so besonders daran?

Das Holz hat eine intensive dunkle Farbe, schwarz-grau bis dunkelbraun. Sehr edel. Nur wenige Kunden haben ein solches Holz in der Küche.

'Natürlich rieche ich am Holz.'

Wie erkennen Sie gutes Holz?

Ich muss mir das Maserbild anschauen. Wie ist der Baum gewachsen? Kann man mit dem Holz eine schöne Gesamtwirkung komponieren? Dann muss ich das Holz fühlen, ertasten. Die Stärke des Mate­rials und die Messerung sind entscheidend. Natürlich rieche ich auch am Holz. Es sollte nach Natur duften.

Besitzt Holz eine Persönlichkeit?

Aber ja. Jeder Stamm ist einzigartig, so wie der Fingerabdruck eines Menschen. Die Maserung erzählt die Lebensgeschichte des Baums. In welchem Klima, in welchem Boden ist er gewachsen? Holz lebt. Darum wird auch jede unserer Küchen zum Unikat.

Die Süße im Leben.

Was sind Hölzer denn so für Typen?

Olive ist sehr ausdrucksvoll. Die Maserung allein. Mal ruhig, mal wild im Muster. Die Farben sind auch immer anders. Gelb, manchmal beinahe grün, dann wieder fast schon rot.

Gibt es bodenständige Kerle unter den Bäumen?

Ja, Eiche, der Klassiker. Widerstandsfähig, wenig Abweichungen in Farbe und Struktur. Die Eiche ist seit über 2000 Jahren ein solides Wohnholz. Der Nussbaum mit seiner attraktiven, dunklen Farbe ist mehr ein Exot. Er steht für die Süße im Leben.

'Ich schnitze für mein Leben gern.'

Wie werden Bäume zu Küchen?

Der Stamm wird bei 50 bis 60 Grad einige Tage in ein Becken getaucht, damit das Holz beim Messern unbeschädigt bleibt. Nach dem Sägen wird es gebürstet, damit die Oberfläche eine raue Struktur bekommt. Wir lagern die Furniere, erst dann beginnt die eigentliche Fertigung.

Herr Paintmeier, was tun Sie, wenn Sie sich nicht um Furniere und Maserungen kümmern?

Ich schnitze für mein Leben gern, es beruhigt mich. Oder ich gehe in den Wald, den ich vor 20 Jahren gekauft habe. Dort sehe ich mir die Bäume an und stelle mir vor, wie der Wald wohl in 100 Jahren aussehen wird. Dann, wenn die nächsten Generationen ihn hoffentlich noch mit Freude betreten werden.

Weitere Informationen.

Website Alexander Schleicher  Designo-Manufaktur Nymphenburg

Messer-Werk Pianofabrik C. Bechstein Bulthaup

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