Herr Swenson, herzlichen Glückwunsch!
Roland Swenson: Wofür?
Sie gelten als der Mann, der aus einem kleinen Treffen für Musiknerds eines der größten und beliebtesten Festivals der Tech-Szene kreiert hat: South by Southwest, kurz SXSW – das X ist die Abkürzung für ‘by’.
Oh, bitte, das ist albern und zu viel der Ehre.
Wir fassen nur nüchtern die Titelschlagzeilen der vergangenen Jahre zusammen. Eine lautet: „Meet the guy who made Austin cool.“ Mit South by Southwest haben Sie der eher verschlafenen texanischen Stadt Austin zu weltweiter Bekanntheit verholfen.
Austin war schon cool, lange bevor ich um die Ecke kam. Viele alteingesessene Bars und Nachtclubs spielten schon damals jeden Abend Blues- und Folk-Musik ebenso wie Jazz, Rock ’n’ Roll, Punkrock und Heavy Metal.
Die klassische Honky-Tonk-Kultur des Südens und Südwestens der USA?
Ja. Aber als wir 1987 South by Southwest gegründet haben, waren wir nicht in der Lage, große Stars zu präsentieren. Wir haben unbekannte Bands eingeladen, die viel experimentiert haben.
Sie haben damals für den „Austin Chronicle“ gearbeitet, die lokale Zeitung. Gab es einen Moment, der das Festival in der Rückschau zu dem machte, was es heute symbolisiert?
Was symbolisiert es denn aus Ihrer Sicht?
Jeder, der Trends in Musik, Film, Unterhaltung und vor allem neuen Technologien nicht verpassen will, pilgert im März nach Austin, Texas. Mittlerweile sind das mehrere zehntausend Menschen jährlich aus mehr als 60 Ländern. South by Southwest spiegelt den Aggregatzustand der globalen digitalen Kultur wider.
Wow, danke schön. Ich denke, das Jahr 1994 war ein Wendepunkt. Damals haben wir neben Musik auch Film und Multimedia ins Festival integriert. Außerdem war es die Zeit, als das Internet aufkam. Uns war schnell bewusst, dass die neuen Technologien die Art und Weise verändern würden, wie wir im 21. Jahrhundert leben werden. Wir wussten natürlich nicht, wie schnell sich das entwickeln würde, aber wir wollten unbedingt Teil dieser Veränderung sein.
Das wollten damals viele. Worin liegt jedoch der Kern des visionären Rufs, den sich South by Southwest über die Jahre erarbeitet hat?
Ich glaube, wir hatten Glück. Glück bei der Auswahl unserer Keynote-Speaker. Ein Beispiel: Mitte der 90er-Jahre stürzten sich alle auf die CD-Rom als universellen Datenträger. Aber unser Keynote-Speaker Todd Rundgren prophezeite: „CD-Rom ist tot. In Zukunft wird sich alles im Web materialisieren.“ Sie müssen sich das so vorstellen:
Im Publikum saßen Geschäftsleute, deren Firmen gerade CD-Roms herstellten oder ihren Betrieb auf CD-Roms umgestellt hatten. Die waren alles andere als glücklich über diese Aussage. Aber wie sich später herausstellte, hatte Todd Recht.
Es spricht für Ihre Bescheidenheit, dass Sie Ihre prägende Rolle bei SXSW nicht herausstellen. Stimmt es, dass Sie während des Festivals immer noch unerkannt durch Austin laufen?
Ja. Ich habe keine Entourage, die mir folgt. Ich stelle mich nicht gern in den Mittelpunkt, drängele mich nicht an Menschen vorbei, die in der Schlange stehen.
Ich mag den Gedanken, dass ich das Festival wie einer der Besucher erleben kann. Ich treffe dabei auf Filmemacher, Musiker oder App-Entwickler, die auf unserer Plattform andere kreative Menschen kennenlernen und neue Ideen entwickeln. Das finde ich schlicht toll.
Für viele, die SXSW über die Jahre verfolgt haben, schien es unmöglich, dass das Festival noch wachsen kann. Nun steht mit der me Convention in Frankfurt eine neue Konferenz- und Festival-Plattform in Zusammenarbeit mit Mercedes-Benz an. Wie kam es dazu?
Irrtümlicherweise haben viele geschrieben, SXSW würde die Gelegenheit nutzen, um auf einen anderen Kontinent zu expandieren. Das ist nicht der Fall. Die me Convention ist ein völlig neues Event. Unsere Rolle besteht darin, Mercedes-Benz mit jenem Know-how zu unterstützen, das wir über die Jahre angesammelt haben. Und natürlich finden wir die Grundidee der me Convention großartig.
Was ist denn die Idee dahinter?
Es ist ja kein Geheimnis, dass die Automobilindustrie vor gravierenden Veränderungen steht. Als ich mit Vertretern von Mercedes-Benz sprach, hatte ich das Gefühl, dass sie diese Veränderungen ernster nehmen als – zum Beispiel – amerikanische Autobauer. Selbstfahrende Autos werden nicht nur das Kaufinteresse kommender Generationen beeinflussen, sie werden auch unsere Ballungszentren prägen. Die Fragen, wie wir in Zukunft mit Themen wie Transport, Abfall- oder Energiewirtschaft umgehen, spielen da ebenso mit hinein wie auch der Aufstieg der ‚Sharing Community‘. Diese Perspektive von Mercedes-Benz hat nicht nur unser Interesse geweckt, sie hat uns sofort fasziniert.
Könnten Sie das konkretisieren: Um welche Veränderungen geht es?
Mercedes-Benz denkt über den Tellerrand hinaus. Das Auto wird in Zukunft nicht mehr nur ein Transportmittel sein. In Zukunft werden wir im Auto arbeiten, kommunizieren, leben. Wir werden in der Lage sein, unseren Facebook-Account an der Seitentür zu checken, gleichzeitig mit Arbeitskollegen zu telefonieren oder mit den Beifahrern ein Meeting abzuhalten. Wir reden also nicht mehr von einem Auto im herkömmlichen Sinn, wir reden über eine neue Lebensweise. Ich halte diese Perspektive von Mercedes-Benz für visionär.
Welche Rolle wird die me Convention dabei spielen?
Ob Kunst, Politik oder neue Technologien – wir alle machen uns Gedanken darüber, wie die Welt von morgen aussehen wird. Die me Convention soll junge Kreative, Start-up-Gründer wie etablierte Unternehmer oder Studenten dabei unterstützen, ihre Ziele zu erreichen.
Sofern es irgendwann in naher Zukunft zu erwerben ist: Würden Sie sich eigentlich ein selbstfahrendes Auto anschaffen?
Oh ja! Ganz ehrlich: Ich kann es kaum erwarten.
Warum?
Früher habe ich immer den Bus genommen, um in Ruhe die Zeitung zu lesen. Das war schön. Ich hatte nur ein Problem: Meist war ich so vertieft in die Lektüre, dass ich meine Zielhaltestelle verpasst habe und eine Meile vom Ort entfernt war, an den ich eigentlich gefahren werden wollte. Mit einem selbstfahrenden Auto würde mir das nicht mehr passieren. Oder der Klassiker: Ich finde keinen Parkplatz in der Stadt und programmiere mein Auto so, dass es selbstständig nach Hause fährt und mich später abholt. Jetzt mal ehrlich: Wie cool ist das denn?
Das Magazin Forbes hat kürzlich geschrieben, SXSW sei eine „legendäre Marke“. Was würden Sie in Bezug auf SXSW als ‚legendär‘ bezeichnen?
Dass wir mehr als 30 Jahre überlebt haben!