Vielleicht bezeichnen Sie das, was Sie tun, nicht einmal mehr als Arbeit – vielleicht ist es eher eine kollegiale Partnerschaft mit Ihrem Arbeitgeber, der sich verpflichtet hat, in Ihre Work-Life-Balance und psychische Gesundheit zu investieren. Meetings finden an virtuellen Orten statt – nicht statisch, wie wir es heute kennen, sondern im Metaverse, einem hyperrealistischen Café beispielsweise oder bei einem gemeinsamen Spaziergang, der genau dort stattfindet, wo Sie es sich wünschen. Ein Science-Fiction-Szenario? Mitnichten. Vielmehr beschreibt es, wie unsere Arbeitswelt in 20 Jahren aussehen könnte.

Wie es um unsere Arbeitszufriedenheit steht.

Aber lassen Sie uns einen Schritt zurückgehen und den Blick auf den Status quo richten. Der sieht so aus, dass immer weniger Menschen mit ihrer Arbeits­situation zufrieden sind: Laut einer aktuellen Gallup-Umfrage haben 18 Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland keine emotionale Bindung zu ihrem Arbeitgeber, während gleichzeitig die Zahl der aktiv engagierten Arbeit­nehmer sinkt. Wie haben die letzten Jahre und insbesondere die Covid-19-Pandemie zu diesem Trend beigetragen?

„Immer, wenn wir als Gesellschaft an einen Wendepunkt kommen, halten Menschen inne und bewerten ihr Leben neu“, sagt Alexandra Levit. Die Journalistin, Beraterin und Futuristin befasst sich schon lange mit der Zukunft der Arbeit und hilft Einzelpersonen und Unternehmen dabei, mit der sich wandelnden Arbeitswelt Schritt zu halten. „Wenn ein solch einschneidendes Ereignis eintritt, reflektieren sie, wie viel ihrer Zeit sie mit ihrem Job verbringen, oder fragen sich, ob das, was sie tun, von Bedeutung ist. Geht es ihnen darum, berufliche Ziele zu verfolgen – oder wollen sie auch persönliche Ziele erreichen?“ Überraschend ist, dass die oft unter „New Work“ subsumierten Ideen gar nicht so neu sind: Der Begriff stammt aus den späten 1970er-Jahren und stellte damals traditionelle Arbeitsbedingungen infrage. Er unterstreicht individuelle Erfüllung und Selbstdisziplin und weist darauf hin, dass Arbeit und Leben in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen sollen. Das Zauberwort? Work-Life-Balance. Der Schwerpunkt liegt nicht mehr auf der Produktivität, sondern auf der persönlichen Entwicklung, dem Sinn, der Berufung.

Wie die Generation Z die Arbeitswelt auf den Kopf stellt.

Und doch gibt es Anzeichen dafür, dass die Bewegung jetzt wieder an Fahrt aufnimmt. In mehreren europäischen Ländern wird die Vier-Tage-Woche immer mehr diskutiert. Die Idee dahinter ist einfach: Die Arbeitswoche verkürzt sich auf vier Tage – Gehalt und Aufgaben bleiben jedoch gleich. Ein britisches Pilotprojekt mit über 60 Unternehmen und 3 300 Beschäftigten erwies sich als besonders erfolgreich: Die Produktivität blieb hoch, während der Stresslevel- und der Krankenstand unter den Mitarbeitenden sanken. Auch in Japan versuchen sich erste Unternehmen an der verkürzten Arbeitswoche.

Und auch, wenn es nicht ganz dasselbe ist: In Südkorea wurde in diesem Jahr ein Vorstoß, die Arbeitszeit zu erhöhen, von den zwischen 1980 und 1996 geborenen Millennials und der zwischen 1995 und 2010 geborenen Generation Z so heftig und lautstark abgelehnt, dass die Initiatoren zurückrudern mussten. Warum also nicht einmal einen Blick auf genau diese jungen Menschen richten, die künftig den Arbeits­markt dominieren werden? Die Gen Z gilt als die Kohorte, die alles will – vor allem den richtigen Arbeitgeber. Felix Zeltner, Unternehmer und Journalist, hat für seine Recherchen mit vielen Menschen gesprochen, die zur Gen Z gehören. Sein Fazit: „Sie fordern viel – den tollen Arbeitsplatz, Erfolg, aber auch ein Leben, in dem sie Zeit für sich haben. Sie streben nach etwas, das meine Generation, glaube ich, nicht erreicht hat. Und das stimmt mich sehr optimistisch.“ Das gilt auch für Phänomene wie „Quiet Quitting“, das in den vergangenen Jahren zum Trend geworden ist. Es steht in direktem Zusammenhang mit den Forderungen der Gen Z und beschreibt eine Einstellung, bei der die Mitarbeitenden gerade so viel Mühe und Zeit in ihre Arbeit investieren wie nötig. Experten warnen aber davor, diesem durch die sozialen Medien weltweit verbreiteten Trend zu viel Bedeutung zuzumessen. Quiet Quitting bedeute nicht, dass Menschen unmotiviert seien und kurz davor, tatsächlich zu kündigen – vielmehr heiße es, dass sie sich für ihren Job nicht kaputtmachen wollen. Sie ziehen Grenzen, setzen Prioritäten, vermeiden Überlastung.

Remote arbeiten oder nicht, das ist hier die Frage.

Darüber zu diskutieren, wie viel Zeit wir bei der Arbeit verbringen, ist eine Sache, aber es gibt noch etwas anderes, worüber sich die Arbeitnehmer und Arbeitgeber streiten: Nachdem die meisten Belegschaften die vergangenen Jahre überwiegend im Homeoffice verbracht haben, fordern Unternehmen weltweit nun dazu auf, ins Büro zurückzukehren – wenn auch nur für ein paar Tage pro Woche. Und während einige dieser Aufforderung gerne nachkommen, reagieren andere nicht gerade überschwänglich. Vor allem diejenigen, die weggezogen sind und deren Arbeits­zeiten sich jetzt nicht mehr an den Geschäftszeiten orientieren, sondern an den besten Wellen.

Die Debatte ist hitzig, viele Arbeitnehmende wollen die Freiheiten nicht aufgeben, die ihnen Remote Work ermöglicht hat – zusätzliche Zeit mit der Familie zu verbringen und einfach ein ausgewogeneres Leben zu führen. Felix Zeltner zufolge wird die Debatte jedoch mitunter etwas oberflächlich geführt. „Das sieht man auch in den großen Meinungsstücken der New York Times oder des Wall Street Journal. Der eine fordert dieses Extrem, der andere jenes. Dazwischen jedoch gibt es eine Debatte, die wir unbedingt führen sollten – und das ist der Wunsch der Menschen nach faireren Arbeitsbedingungen und mehr Flexibilität“, sagt er.

Letztlich wollten viele Menschen einfach eine gute Zeit im Büro verbringen (oder eben auch im Homeoffice oder in dem an der portugiesischen Küste geparkten und zum Office umfunktionierten Van). Sie wollen annehmbare, faire Arbeitsplätze. Und auch, wenn es dem Privat­leben zuträgt, weniger oder aus der Ferne zu arbeiten, löst das nicht alle Probleme am Arbeitsplatz.

„Während der Pandemie haben viele Menschen erlebt, was schlechte Führung ist. Einem virtuellen Meeting, das schlecht vorbereitet ist, dem Struktur und Tagesordnung fehlen, merkt man in Sekundenschnelle an, dass es unstrukturiert ist. Teilnehmende schalten dann direkt ab. Sie telefonieren, beantworten E-Mails, aber sie hören nicht mehr zu“, sagt Zeltner. Das Gleiche gelte für schlechtes Management und unklare Kommunikation. All diese Dinge, die es auch in präpandemischen Zeiten schon gab – im Virtuellen zeigen sie ihre unschönen Gesichter besonders deutlich. Denn klar, wir alle lieben Remote Work. Aber Remote Meetings? Eher weniger. Und das weist vielleicht auch darauf hin, warum der Frust bei der Arbeit in den vergangenen Jahren stetig zugenommen hat. Ja, wir waren froh, von zu Hause aus arbeiten zu können und mehr Zeit mit unseren Familien zu verbringen – aber gleichzeitig hat sich vielerorts auch jener schleichende Unmut breitgemacht.

Felix Zeltner weiß, warum: „Das Nonverbale macht etwa 90 Prozent der menschlichen Interaktion aus. Wenn wir uns virtuell unterhalten, fehlt uns diese Interaktion – ganz einfach, weil wir nicht im selben Raum sind. Daher glaube ich, dass das persönliche Gespräch immer wirkungsvoller und relevanter bleiben wird.“ Fest steht: Körpersprache ist der Schlüssel zur Kommunikation. Ohne die körperliche Energie einer Person fühlen sich Interaktionen oft seltsam an. Was wäre, wenn es einen Weg gäbe, die virtuelle Welt immersiver und die persönliche Interaktion realer zu gestalten? Würde das unsere Arbeit besser machen?

Das Metaverse und das hybride Zeitalter.

Die Frage, wie sie sich einen typischen Arbeitstag in 15 Jahren vorstellt, beantwortet Alexandra Levit mit einem Raum, der mehr als alles andere mit dem Virtuellen verbunden ist: „Ich bin mir sicher, dass wir vornehmlich im Metaverse arbeiten werden – einer virtuellen Welt, die so gestaltet ist, dass sie sich echt anfühlt. Das Metaverse wird eine Welt wie die unsere sein, und ich denke, wir werden mühelos zwischen den beiden hin- und herwechseln.“ Auch Felix Zeltner prognostiziert, dass virtuelle Meetings viel mehr sein werden als das, was wir heute gewohnt sind – einander in kleinen Kästchen auf Bildschirmen zu begegnen. Dem Journalisten zufolge könnten wir Meetings in einem virtuellen Pariser Café abhalten oder an einem digitalen Lagerfeuer an einem kalifornischen Strand zusammensitzen: „Und wir werden uns viel besser an dieses Treffen erinnern können, weil sich die Interaktion real angefühlt hat. Wir würden uns einen echten Raum teilen und nicht durch Bildschirme getrennt sein wie bei einem Zoom-Call.“ Bedeutet das, dass Büros künftig noch weniger frequentiert werden als in den letzten Jahren? Nicht unbedingt. Zeltner glaubt, dass die Zukunft der Arbeit das Beste aus beiden Welten vereinen könnte. Die Lösung sei hybrid. Und in dieser Sowohl-als-auch-Situation habe jeder einzelne Arbeitsplatz ganz eigene Funktionen, die einander elevieren. Man könne es sich wie eine Treppe vorstellen. Das Virtuelle bildet die erste Stufe, die wiederum das persönliche Treffen auf die nächste Stufe hebe.

Niemand kann genau vorhersagen, wie wir in Zukunft arbeiten werden. Aber eines ist klar: Wir befinden uns in einer Phase großer Veränderungen, vielleicht der größten seit der New-Work-Bewegung in den 70er-Jahren. Klingt abenteuerlich, nicht wahr?