Vor 25 Jahren ist die automobile Welt in Aufregung: Die damals erst vor kurzem vorgestellte, neue A-Klasse kippt bei einem Test der schwedischen Zeitschrift „Teknikens Värld“ am 21. Oktober 1997 spektakulär um. Eher unfreiwillig verhilft der Kompaktwagen mit dem damals in der Öffentlichkeit nur in Skandinavien bekannten „Elchtest“ dem Elektronischen Stabilitäts-Programm ESP® zum Durchbruch. Bereits zwei Jahre zuvor hatte Mercedes-Benz dieses System im Coupé der S-Klasse (Baureihe C 140) weltweit erstmals serienmäßig eingeführt. Nach dem Manöver mit der A-Klasse reagiert das Unternehmen unverzüglich: Die A-Klasse wird ab Februar 1998 serienmäßig mit ESP® ausgerüstet und die 18.000 bereits ausgelieferten Fahrzeuge erhalten eine kostenfreie Nachrüstung.
Historisches Foto der damaligen ersten A-Klasse (W168) beim so genannten Elchtest einer schwedischen Fachzeitung. Ausgerüstet mit ESP® absolvierte die A-Klasse das Manöver.
Ab 1999 rüstet Mercedes-Benz sukzessive alle Baureihen serienmäßig mit dem System aus, das Fahrzeuge durch gezielte und blitzschnelle Bremseingriffe an einzelnen Rädern stabilisiert. ESP® wird damit über Nacht zum Sinnbild für ein innovatives, aktives Sicherheitssystem im Auto – unabhängig von der Wagenklasse. Heute, 25 Jahre später, zählt es zur Standardausstattung: Seit November 2011 ist es für alle Neuzulassungen von Pkw in Europa gesetzlich vorgeschrieben. Zudem gilt ESP® als Wegbereiter aktueller Fahrassistenzsysteme.
Tatsächlich haben Bremsregelsysteme seit dem Elchtest – wenn auch von der Öffentlichkeit bislang weitgehend nicht beachtet – rasante Entwicklungsschritte gemacht. Mit über 100 Fahrzeugfunktionen sind sie heute vernetzt, was zur aktiven Verbesserung von Sicherheit, Effizienz und Komfort in vielen Fahrsituationen führt – vom integrierten Regler der Bremse und der aktiven Hinterachslenkung über Offroad-Funktionen, Rekuperation bei Elektroantrieben, Berganfahrassistenten und Anhängerstabilisierung bis zur Unterstützung des automatisierten Fahrens und zahlreicher Assistenzsysteme.
Zu den Meilensteinen der Entwicklung zählt etwa das im Jahr 2010 von Mercedes-Benz eingeführte, regenerative Bremssystem für Hybrid- und Elektrofahrzeuge. Der Elektromotor schaltet damit beim Bremsen auf Generatorbetrieb um. Über den Antriebsstrang übertragen die Räder die Bewegungsenergie hin zum Generator. Dieser dreht sich wiederum und wandelt so einen Teil der Bewegungsenergie in elektrische Energie um. Das Bremsmoment des Elektromotors, das bei der Energieerzeugung entsteht, verzögert das Fahrzeug. Zusätzlich wird über die Radbremse verzögert, sofern mehr Bremsleistung nötig sein sollte. Das Bremsregelsystem hat die Aufteilung zwischen Generator und Bremssystem sowie die Stabilität des Fahrzeugs immer unter Kontrolle.
Aus den jüngeren Innovationen ragt das 2020 in die Serie gebrachte TwoBox-System heraus. Die Kombination aus ESP® und einem elektromechanischen Bremskraftverstärker ist vor allem für Elektroautos unverzichtbar: Denn der sonst vom Verbrennungsmotor erzeugte Unterdruck, der dann zum herkömmlichen Bremskraftverstärker geleitet wird, fehlt hier. Der schnelle Bremsdruckaufbau des Systems ermöglicht unter anderem einen kurzen Bremsweg bei einer automatischen Notbremsung.
Eine weitere Innovation ist die ebenfalls 2020 in Serie gebrachte Kombination aus Bremsregelsystem und Hinterachslenkung. Dieser neuartige Ansatz in der Regelungstechnik ermöglicht die aktive Darstellung des gewünschten Fahrverhaltens im Normalbereich und die Stabilisierung des Fahrzeugs im Grenzbereich. Der modulare Einsatz unterschiedlicher Aktuatoren gibt einen guten Ausblick auf das weitere Potential in der Zukunft.
Die Einführung von PRE-SAFE® erregt vor 20 Jahren ähnliche Aufmerksamkeit wie der Elchtest. Denn Mercedes-Benz präsentiert damit 2002 eine disruptive Neuerung: Erstmals tragen aktive Elemente dazu bei, passive Schutzmaßnahmen zu unterstützen, um Unfallfolgen zu reduzieren. Dazu gehört zum Beispiel, in kritischen Fahrsituationen bereits vor einem drohenden Aufprall die Fenster und das Schiebedach zu schließen, die Gurte mit den erstmals reversiblen Gurtstraffern vorzuspannen oder den Beifahrersitz in eine aufrechtere Position zu stellen, sofern er mit Memory-Funktion ausgestattet ist. Damit setzt das Unternehmen den zentralen Gedanken seines ganzheitlichen Konzepts der „Integralen Sicherheit“ um.
Doch damit ist die Evolution längst nicht abgeschlossen. Die Mercedes-Benz Group AG nimmt sich selbst in die Pflicht, die Verkehrssicherheit weiter zu verbessern. Denn: Nach Schätzungen der World Health Organization (WHO) im Road Safety Report 2018 sterben noch immer jedes Jahr weltweit etwa 1,3 Millionen Menschen bei Straßenverkehrsunfällen. Zwischen 20 und 50 Millionen Menschen erleiden gemäß WHO schwere Verletzungen. Mit seinen Sicherheits- und Assistenzsystemen arbeitet Mercedes-Benz deswegen entschieden daran, zum Erreichen der Ziele der „Vision Zero“ beizutragen. Konkret bedeutet das: Null Verkehrstote bis 2050 und eine Halbierung der Anzahl von Verkehrstoten und Schwerverletzten bis 2030 im Vergleich zu 2020.
Im Fokus steht dabei unter anderem, unabhängig vom Antriebssystem einen vergleichbaren Schutz zu gewährleisten – egal ob Verbrennungs-, Hybrid- oder Elektroantrieb. So wurde etwa zur Vermeidung von Stromschlägen und hochenergetischen Kurzschlüssen bei Elektroautos ein mehrstufiges Hochvolt-Sicherheitskonzept entwickelt, das im Fahrbetrieb, beim Laden sowie während und nach einem Crash ein hohes Maß an Sicherheit bietet. Darüber hinaus erforscht Mercedes-Benz gemeinsam mit der Stadt London, wie anonymisiert aufbereitete Daten aus den Fahrzeugen mit dem Stern die Straßen künftig noch sicherer machen können.