Das „Secret Car“ in Kyalami.

Die Spannung ist riesengroß im rennsportbegeisterten Südafrika vor 30 Jahren: Was hat es wohl mit dem „Secret Car“ auf sich, das Mercedes-Benz zum Einladungsrennen der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft im Winter 1990 in Kyalami an den Start bringt?

Dieser spezielle Mercedes-Benz 190 E 2.5-16 Evolution II kommt erst in letzter Minute per Frachtflugzeug aus Deutschland. Vier weitere „EVO II“ setzt AMG ein. Ab 1991 wird AMG die komplette Entwicklung der DTM-Renntourenwagen von Mercedes-Benz st – sport-technik übernehmen.

Im Jahr 1990 schließen die Daimler-Benz AG und AMG einen Kooperationsvertrag. Das ist ein wichtiger Schritt hin zur Übernahme des Unternehmens im Jahr 2005 als hundertprozentige Tochter und zur Gründung von Mercedes-AMG.

Das „Secret Car“ aus Stuttgart: AMG of South Africa gelingt ein Medien-Coup mit der intensiven Berichterstattung über den nachträglich zum Rennen gemeldeten EVO II. 

Ingenieur und Rennsieger: Projektleiter Gerhard Lepler (links) und Rennfahrer Roland Asch beim Einladungsrennen der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft (DTM) in Kyalami, Südafrika, im Winter 1990. 

ABS für die Rennstrecke.

Das Geheimnis des Siegerfahrzeugs ist ein von Mercedes-Benz und Bosch gemeinsam entwickeltes Antiblockiersystem (ABS) speziell für den Rennsport. Es wird erst kurz vor dem Kyalami-Einsatz fertig und reist daher mit dem Flugzeug dorthin. In Mercedes-Benz Serienfahrzeugen gibt es die wegweisende Lösung für die aktive Fahrsicherheit schon seit 1978: Premiere hat ABS in der S-Klasse der Baureihe W 116. Für den Motorsport eignet sich das serienmäßige Assistenzsystem nicht, denn auf schnell genommenen Bodenwellen lässt die Wirkung nach.

Ein zusammen mit Bosch entwickeltes Steuergerät schafft Abhilfe. Unter der Leitung von Mercedes-Benz Ingenieur Gerhard Lepler rüstet die Werksabteilung Mercedes-Benz st – sport-technik einen EVO II als Werkstestwagen damit aus. Dieser intern „M7“ genannte Renntourenwagen wird zum DTM-Gastspiel nach Südafrika geflogen. Auf die besonderen klimatischen Bedingungen wird das Fahrzeug sogar im Klimaprüfstand vorbereitet, erinnert sich Projektleiter Lepler.

Erfolg des „Schwabenpfeils“.

Im Rennen setzt sich Rennfahrer Roland Asch am Steuer des DTM-Tourenwagens bei den „Yellow Pages 200“ in Kyalami souverän durch: Pole Position, Platz zwei im ersten Lauf, Sieg im zweiten Lauf und Gewinn der Gesamtwertung. So lautet die glänzende Bilanz des „Schwabenpfeils“, wie Asch von seinen Fans genannt wird, in Kyalami.

Asch beginnt seine DTM-Karriere im Jahr 1985. Zweimal wird er DTM-Vizemeister auf Renntourenwagen der Mercedes-Benz Baureihe 201: Im Jahr 1998 ist Asch mit dem Mercedes-Benz 190 E 2.3-16 erfolgreich, 1993 mit dem AMG-Mercedes 190 E Klasse 1.

Ein glücklicher Sieger: Roland Asch beim DTM-Einladungsrennen in Kyalami, Südafrika, im Winter 1990.

Mercedes-Benz Classic Markenbotschafter Roland Asch bei den Classic Days Schloss Dyck. Ein Porträt aus dem Jahr 2017.

Mit dem Testwagen zum Sieg.

Roland Asch ist die perfekte Besetzung für das wegen seiner Folierung in den Farben eines Zigarettenherstellers auch „Camel Car“ genannte Auto: Damals fährt er nahezu alle Tests für die DTM-Entwicklung von Mercedes-Benz.

Vom Handling des Renntourenwagens mit ABS ist der „Schwabenpfeil“ begeistert: „Ich kann mich voll aufs Fahren konzentrieren und erst in letzter Sekunde bremsen“, erinnert sich der Rennfahrer. Und erzählt schmunzelnd: „Der Klaus Ludwig hat vielleicht geschaut, als ich ihn locker ausgebremst habe!“

Das Rennen 1990 gewinnt Asch vor 48.000 Zuschauern auf ausverkauften Tribünen in Kyalami. Sein Fahrzeug gehört heute zur Sammlung von Mercedes-Benz Classic. Bei Veranstaltungen begeistert der Rennfahrer die Fans auch heute durch gemeinsame Auftritt mit diesem ganz besonderen „EVO II“.

Technik für den Rennsport.

Das für den Motorsport entwickelte ABS des EVO II aus dem Jahr 1990 hält das Fahrzeug bei einer Vollbremsung lenkfähig. Wie in einem normalen Pkw wird es über das Durchtreten des Pedals aktiviert. Jedoch kann es über einen Knopf im Cockpit ein- und ausgeschaltet werden. Die Premiere in Kyalami überzeugt: In den Rennjahren der DTM/ITC von 1991 bis 1996 rüstet Mercedes-Benz seine Renntourenwagen mit ABS aus.

Heute wird ABS auch in den Kategorien GT3 und GT4 vieler nationaler und internationaler Meisterschaften erfolgreich eingesetzt. Zu den aktuellen Kundensportfahrzeugen Mercedes-AMG GT3 und GT4 erklärt die Sportwagen- und Performance-Marke: „Das neu entwickelte ABS-System ist vielfach einstellbar und optimal auf die Spezifikationen der aktuellen Reifengeneration abgestimmt.“