Rasante Superlative.

Es sind eindrucksvolle Dokumente der Zeitgeschichte in einer Welt der sportlichen Superlative. Diese Meisterwerke von Friedrich Karl Leibach, Theo Matejko, Walter Goschke und Hans Liska zeigen eindrucksvoll die Mercedes-Benz Rennsportgeschichte in der Zeit von 1908 bis 1955.

Siege für die Silberpfeile.

Wenn Hans Liska oder Walter Gotschke am 15. April 2012 in Schanghai dabei gewesen wären, hätten sie vermutlich sofort zum Stift gegriffen, um Nico Rosbergs Triumph beim Großen Preis von China festzuhalten – den ersten Sieg eines Werks-Silberpfeils seit 1955. Damals, vor dem Ausstieg von Mercedes-Benz aus dem Formelrennsport, waren Siege für die Silberpfeile an der Tagesordnung. Zeichner wie Liska und Gotschke bannten diese Momente des Erfolgs auf Papier und hielten sie mit ihren Rennplakaten für die Ewigkeit fest.

Die Verwendung von Zeichnungen war in erster Linie dem Umstand geschuldet, dass die Plakate nach dem Rennen schnellstmöglich verbreitet werden mussten. Grafisch war das Plakat vor Rennbeginn bereits fertig gestellt, nur die Namen der Sieger wurden noch hinzugefügt. Oft konnte Mercedes-Benz gleich mehrere Platzierungen verkünden. Dass ein 2. Platz per Plakat bekannt gemacht wurde, kam übrigens nur einmal vor: 1952, nach dem Wiedereinstieg in den Rennsport, machte man für Karl Kling eine Ausnahme.

Dreifachsieg in der Schweiz am 21. August 1938, Zeichnung von Walter Gotschke (Ausschnitt).

Frühes Rennplakat aus dem Jahr 1908 (Ausschnitt).

Unter dem Einfluss Toulouse-Lautrecs.

Obwohl Fahrzeuge von Mercedes-Benz seit den ersten Geschwindigkeitsrennen Ende des 19. Jahrhunderts sehr erfolgreich mitfahren und für eine enorme Publicity sorgen, dauert es bis 1908, ehe das erste Rennplakat von Erfolgen kündet. Es stammt von dem französischen Künstler Henri Rudaux, der bereits zuvor für die Daimler-Motoren-Gesellschaft Lithografien anfertigte. Rudaux’ Arbeiten – unter dem Einfluss der Werke Henri de Toulouse-Lautrecs entstanden – stehen mit ihrem Aufbau bereits für den Typus des klassischen Automobilplakats, das sich bis 1954 nicht wesentlich verändern sollte. Mit Plakaten, die aus reiner Typografie bestehen („Von Sieg zu Sieg! Mercedes-Erfolge 1924“), bricht anschließend bis Ende der 1920er Jahre eine in ästhetischer Hinsicht weniger glanzvolle Epoche für das Genre an.

„Picasso der Rennstrecke“.

Das soll sich erst 1934 mit dem Wiedereinstieg von Mercedes-Benz in den Formelrennsport ändern. Es ist die Geburtsstunde einer Legende: Die neuen Silberpfeile fahren vom ersten Start weg zahlreiche Siege ein. Zunächst jedoch sind die legendären Rennwagen auf den Rennsiegplakaten nicht zu sehen. Mit Fahrerporträts, Rennszenen und selbstbewusstem Sprachduktus wird von 1935 wieder von Triumphen gekündet: Zunehmend sind die Plakate grafisch gestaltet. Und von 1938 an sind auch die Gestalter dieser kleinen Meisterwerke nicht mehr anonym: Walter Gotschke, oft als „Picasso der Rennstrecke“ apostrophiert, wird zu einem der bekanntesten Zeichner rund um das Automobil.

Seine Zeichnungen folgen einem einheitlichen Muster mit wenigen Farben in gedämpften Tönen. Auch die Gesamtkonzeption wird einheitlicher in Aufbau und Gestaltung.

Großer Preis von Pau, Zeichnung von Walter Gotschke (Ausschnitt).

Tourist Trophy Irland 1955, Gestaltung von Anton Stankowski.

Mit Anton Stankowski bricht die Moderne ein.

Nach Kriegsende wird der ausgebildete Pressezeichner Hans Liska Hausgrafiker bei Mercedes-Benz, gestaltet Prospekte und Plakate. Mit dem Wiedereinstieg des Automobilherstellers in den Rennsport gibt es auch wieder Triumphe zu dokumentieren, etwa die Erfolge des 300 SL in Le Mans, auf dem Nürburgring, bei der Panamericana. Optisch ist der mit großer Beobachtungsgabe ausgestattete Liska – wie ein halbes Jahrhundert zuvor Henri Rudaux – an feste Vorgaben gebunden. Trotzdem gelingt es ihm, seinen Plakaten Spannung und eine formale Geschlossenheit zu geben. Doch die Tage einer solch naturalistischen und gegenständlichen Darstellungsweise sind auch bei Mercedes-Benz gezählt. Der Automobilhersteller wagt 1955 einen mutigen und selbst im eigenen Haus kontrovers diskutierten Schritt in Richtung Moderne. Dessen Gesicht ist Anton Stankowski, der heute als „Vater der konkreten Kunst“ gilt.

Das Ende der Rennplakate.

Stankowski erhält den Auftrag, die Plakate für die komplette Rennserie 1955 zu gestalten, und bricht mit alten Gewohnheiten. Grundlage für seine Werke bildet ein einziger Entwurf, der laut Aussage des Künstlers ursprünglich viel radikaler und abstrakter war. Jedes neue Plakat ist eine Variation dieses Urdesigns. Im Mittelpunkt der Gebrauchskunst steht nämlich längst der Wiedererkennungswert, in Richtung einer „Corporate Identity“. Stankowski ist der letzte Künstler, der für Mercedes-Benz Plakate in Eigenregie entwirft.

Zu dem Automobilhersteller war der Grafiker übrigens eher zufällig gekommen: Der damalige Werbechef von Mercedes-Benz wohnte zwei Häuser weiter, wie Anton Stankowski in einem Interview in den 1990er Jahren erzählte. Mit dem letzten Sieg eines Werks-Silberpfeils am 11. September in Monza 1955 und dem Ausstieg aus dem Formelrennsport endet eine sportliche Ära – es ist zugleich das Aus für die Rennplakate.