Die Geschichte der Automobilindustrie auf neun Ebenen mit 16.500 Quadratmetern Fläche, 160 Fahrzeugen und insgesamt mehr als 1.500 Exponaten: Das ist das Mercedes-Benz Museum in Stuttgart. Viele Besucher sind überrascht, was es dort alles zu entdecken gibt. Wir statten Sie vorab mit ein wenig Insider-Wissen aus.
1. Das erste Motorrad der Welt ist von Daimler.
Und zwar ein Fahrzeug von Gottlieb Daimler. Er und sein Chefkonstrukteur Wilhelm Maybach bauen es im Jahr 1885. „Reitwagen“ nennen sie dieses weltweit erste Fahrzeug mit einem schnell laufenden Verbrennungsmotor. Die Fakten: 0,38 kW (0,5 PS) Leistung! Höchstgeschwindigkeit 12 km/h! Der Reitwagen ist eine Sensation. Und er ist der direkte Vorläufer des Automobils, das ein Jahr später auf die Weltbühne rollt. Ein originalgetreuer Nachbau des Reitwagens ist im Raum Mythos 1 „Pioniere – die Erfindung des Automobils“ zu sehen.
Erstes Motorrad der Welt und erstes Fahrzeug mit schnell laufendem Verbrennungsmotor: der „Reitwagen“ von Gottlieb Daimler und Wilhelm Maybach aus dem Jahr 1885.
Hochleistungsautomobil der damaligen Zeit: Mercedes 35 PS zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
2. Die ganz frühen Automobile verbrauchen mehr Kühlwasser als Benzin.
Kaum zu glauben: Die ganz frühen Automobile verbrauchen mehr Kühlwasser als Benzin. Es kühlt den Verbrennungsmotor – und verdampft dabei. Den entscheidenden Durchbruch bringt 1900 der von Wilhelm Maybach entwickelte Bienenwabenkühler. Mit Vierkantrohren statt Rundrohren bietet er eine größere Durchtrittsfläche und die kleineren Spalte zwischen den Röhrchen sorgen für eine erheblich gesteigerte Kühlwirkung. Gegenüber dem Röhrchenkühler aus dem Jahr 1897, gleichfalls eine Maybach-Erfindung, reduziert sich der Wasserbedarf um die Hälfte auf neun Liter je 100 Kilometer. Damit ist der Bienenwabenkühler eine Schlüsselerfindung für das Hochleistungsautomobil. Das erste Fahrzeug mit dieser Innovation ist der Mercedes 35 PS, ebenfalls aus dem Jahr 1900. Es ist im Raum Mythos 2 „Mercedes – Die Geburt der Marke“ zu sehen.
Einmal am Steuer sitzen: beispielsweise im O 302 Weltmeisterschafts-Reisebus der deutschen Fußballnationalmannschaft aus dem Jahr 1974.
3. In zwei Fahrzeugen kann man auch Platz nehmen.
160 Fahrzeuge werden im Mercedes-Benz Museum präsentiert. Beispielsweise die ersten Automobile aus dem Jahr 1886, Personenwagen sowie Nutzfahrzeuge, Meilensteine aus sämtlichen Epochen – alles ist vertreten. So magnetisch manches Exponat die Besucher und Fans anzieht und so nah man meist herankommt: Sie sind verschlossen.
Hineinsetzen unmöglich. Zwei Fahrzeuge jedoch sind geöffnet: das Econic 2628 NGT Müllsammelfahrzeug (Collection 3 „Galerie der Helfer“) und der O 302 Weltmeisterschafts-Reisebus der deutschen Fußballnationalmannschaft 1974 (Collection 4 „Galerie der Namen“) – alles einsteigen!
Knallrot und damit bestens getarnt: Der Mercedes 2-Liter-Rennwagen aus dem Jahr 1924 gewinnt die Targa Florio in Italien.
4. Der Grund, warum ein roter Mercedes in der Rennkurve steht.
Mitten im Raum Mythos 7 „Rennen und Rekorde“ steht der rote 2-Liter-Rennwagen „Targa Florio“. Die Farbe ist für einen Mercedes-Rennwagen sehr ungewöhnlich. Denn traditionell ist roter Lack italienischen Teams vorbehalten. Deutsche Rennwagen sind weiß, später silbern. Doch 1924 will Mercedes das berühmte Langstreckenrennen Targa Florio auf Sizilien unbedingt gewinnen. Um mögliche Behinderungen ausländischer Autos durch italienische Fans zu verhindern, werden die drei Rennwagen aus Stuttgart mit der damals neuen Kompressortechnik entgegen der Gewohnheit rot lackiert. Da die italienischen Fans die roten Mercedes-Rennwagen den italienischen Teams zuordneten und diese somit nicht behindert wurden, konnte Mercedes mit dem Rennfahrer Christian Werner den Sieg in Sizilien einfahren.
5. Der größte künstlich erzeugte Tornado der Welt.
Einen hilfreichen Tornado hat das Mercedes-Benz Museum: Im Brandfall dient der Wirbel dazu, den Rauch oben aus dem Gebäude zu jagen. Erzeugt wird er im Atrium. Dort in den Wänden befinden sich 144 schräg angeordnete Luftdüsen. Zusammen mit der im Atriumdach angebrachten Turbine erzeugen sie in Windeseile die starke, um sich selbst schnell rotierende Luftsäule. Zack, der Rauch verlässt das Museum. Die Höhe von 34,4 Metern ist Weltrekord für einen künstlich erzeugten Tornado. Das „Guinness-Buch der Rekorde“ hat schon 2007 nachgemessen – kurz nach der Eröffnung des Museums.
Im „Guinness-Buch der Rekorde“: Mit 34,4 Metern Höhe ist der Entrauchungs-Tornado im Mercedes-Benz Museum der höchste künstlich erzeugte Wirbelsturm.
Gäste aus der ganzen Welt: Das Mercedes-Benz Museum hat die Fahnen aller 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen (UNO) im Vorrat.
6. 193 Staatsflaggen hält das Mercedes-Benz Museum bereit.
Ehrensache: Wenn ein Staats- oder Ehrengast aus dem Ausland ins Mercedes-Benz Museum kommt, ist vor dem Gebäude die Nationalflagge des jeweiligen Landes gehisst. Deshalb hat das Museum die Fahnen aller 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen (UNO) im Vorrat. Das passt auch deshalb, weil schon Gäste aus all diesen Ländern die Ausstellung besucht haben. Rund 60 Prozent der Besucher kommen aus dem Ausland. Die größte Nationengruppe sind mit mehr als zehn Prozent die chinesischen Gäste, gefolgt von Besuchern aus den USA, Frankreich und der Schweiz. Kein Wunder, dass sowohl Informationsmaterial als auch Audio Guide durchgängig achtsprachig sind und die Museums-Guides Führungen ebenfalls in mehreren Sprachen anbieten. Die Marke von neun Millionen Besuchern ist im April 2018 geknackt worden.
7. Jedes der 1.800 dreieckigen Fassadenscheiben ist ein Unikat.
Das Mercedes-Benz Museum ist nicht nur eins der beliebtesten Museen der Welt, sondern auch ein Architektur-Highlight. Der ungewöhnliche Entwurf mit drei ineinander verschlungenen Gebäudeteilen stammt vom niederländischen Büro UN Studio. Innen wie außen ist sichtbar, dass keine Außenwand gerade ist. Für die Bauarbeiten eine echte Herausforderung: Der Beton wird zu sogenannten „Twists“ gegossen, hochkomplizierten Fertigteilen. Und die 1.800 Fassadenscheiben werden einzeln angefertigt – denn keine ist identisch mit einer anderen. Für die Berechnungen sind aufwendige Computerprozesse notwendig. Auch damit hat das Mercedes-Benz Museum konstruktive Grenzen verschoben.
Unikate aus Glas: 1.800 Fassadenscheiben hat das Mercedes-Benz Museum, und jede ist ein Einzelstück.
Eintauchen in Thema und Zeit: Die Boden- und Wandmaterialien im Mercedes-Benz Museum sind kein Zufall. Im Bild der Raum Mythos 5 mit originalem Airbag-Stoff.
8. Kein Zufall: Die Boden- und Wandmaterialien im Mercedes-Benz Museum.
Die Auswahl der Materialien im Mercedes-Benz Museum ist kein Zufall. Vielmehr helfen sie dabei, dass die Besucher voll in Thema und Zeit eintauchen können. In den Mythosräumen steht man beispielsweise auf Räuchereiche – das ist der typische Belag einer mechanischen Werkstatt. Die frühen Jahre des Automobils werden auch als das Messingzeitalter bezeichnet – deshalb sind die Wände im Raum Mythos 2 „Mercedes – Die Geburt der Marke“ mit Messing bedeckt. Und im Raum Mythos 5 „Vordenker – Sicherheit und Umwelt“ sind die Wände mit originalem Airbag-Stoff bespannt.
Kurzweilige Reise durch mehr als 130 Jahre Automobilgeschichte: Der Audio Guide des Mercedes-Benz Museums bietet auch eine eigene Kinderführung.
9. Der Audio Guide für Kinder.
Kinder besuchen gern das Mercedes-Benz Museum. Denn es gibt dort ja so viel zu entdecken! Das gelingt besonders einfach und intuitiv mit Hilfe des Audio Guides.
Er bietet Kindern eine eigene Führung, die Exponate und Gebäude passend aufbereitet schildert. Spannung ist vorprogrammiert, und die Reise durch die Automobilgeschichte wird zu einem kurzweiligen Vergnügen.
Gitter gegen Geier: Mercedes-Benz 300 SL Rennsportwagen aus dem Jahr 1952. Karl Kling und Hans Klenk gewinnen trotz eines unfreiwilligen Zwischenfalls die Carrera Panamericana.
10. Das Gitter vor der Frontscheibe des 300 SL Rennsportwagens.
19. November 1952. Drei 300 SL Rennsportwagen (W 194) gehen auf die erste von acht Etappen des berühmten südamerikanischen Langstreckenrennens Carrera Panamericana. Gleich am ersten Tag ein dramatisches Ereignis: Bei mehr als 200 km/h durchschlägt ein Raubvogel die Frontscheibe des Fahrzeugs mit der Startnummer 4. Fahrer Karl Kling ist erschrocken, Beifahrer Hans Klenk bewusstlos – das Tier hat ihn am Kopf getroffen. Kling rüttelt und schüttelt den Kopiloten wieder wach. Worauf dieser ihn trocken bittet, weiterzufahren. Am Etappenziel, das die beiden trotz des Zwischenfalls als Dritte erreichen, erhält das Fahrzeug eine neue Frontscheibe sowie vier senkrechte Metallstäbe als zusätzlichen Schutz. Das Originalfahrzeug ist im Raum Mythos 7 „Rennen und Rekorde“ ausgestellt. Ach ja: Das Rennen gewinnen die beiden auch, und ein zweiter 300 SL kommt auf Platz 2 ins Ziel.