„Wir können hier unser Hobby ausleben und uns mit anderen Oldtimerfans treffen und austauschen. Gerade in der jetzigen Zeit macht diese Veranstaltung richtig Spaß“, sagt Malte. Er ist mit seinem Vater und einem seltenen Klassiker zu Classics & Coffee am Mercedes-Benz Museum gekommen: einem Facel Vega HK 500 aus dem Jahr 1960. „Nur 490 Stück wurden zwischen 1958 und 1961 gebaut, rund 390 davon haben überlebt“, sagt Stefan. Ein französischer Hersteller, italienisch angehauchtes Design und viel amerikanische Technik sind die Mischung dieses Gran Turismo.
Eins von 390 erhaltenen Fahrzeugen: der Facel Vega HK 500 von Malte und seinem Vater.
Opulent: das Interieur des französischen Gran Turismo mit amerikanischer Technik.
Stefan hat ihn im Jahr 2012 gekauft, „sehr spontan“, wie er sagt. Sein Sohn bestätigt: „Wir haben uns zuhause gewundert, als mittags sein Anruf aus England kam, dass er ein Auto gekauft hat.“ Denn dort stand der Rechtslenker auf einer Auktion. Das Interesse unter den anderen Bietern sei sehr mäßig gewesen, daher der Preis attraktiv. „So, wie das Auto heute hier steht, habe ich es damals ersteigert. Der Zustand darf so bleiben und seine Zeitspuren zeigen“, sagt Stefan. „Der Facel Vega ist natürlich nicht unser einziges Auto. Aber wir bewegen ihn ganz normal im Alltag.“ Und zwar risikoarm. Der Zusatz ist wichtig. Denn der einstige Erstbesitzer in England, ein Zahnarzt, habe das leistungsstarke Coupé mit Chrysler-V8-Motor und 265 kW (360 PS) zweimal kaltverformt und zweimal wiederaufbauen lassen. „Das war ihm wohl auf Dauer zu teuer.“
Einen großvolumigen amerikanischen V8 hat auch das Fahrzeug gleich nebenan. Martin ist in seinem schwarzen Ford Falcon gekommen. „Baujahr 1964. Wiederaufbau von 2016 bis Mitte 2019.“ Per Internet habe er das Coupé in Amerika gefunden, der Zustand war als gut beschrieben, also schlug er zu und ließ den Klassiker nach Deutschland schiffen. „Als das Fahrzeug vor mir stand, war ich erschrocken. Es entsprach leider nicht der Beschreibung. Alles war marode, und das Auto musste komplett gerichtet werden.“ Was dann in Eigenregie passierte.
Geholfen habe die gute Ersatzteilversorgung, denn der Falcon war die technische Basis für den begehrten Ford Mustang.
Warum er sich für das Fahrzeug entschieden hat? „Ich habe schon immer US-Cars gefahren“, erzählt Martin. „Der Falcon ist ein kompaktes Fahrzeug und macht mir daher viel Spaß.“ Und sicherlich auch mit seinen 235 kW (320 PS), die auf ein Fahrzeuggewicht von nur 1.400 Kilogramm treffen.
Classics & Coffee ist ein munteres Stelldichein munterer Fahrzeuge.
Es ist stets die Fahrzeugmischung, die Classics & Coffee auszeichnet. An diesem Sonntag haben sich beispielsweise zahlreiche Besitzer von Alfa Romeo verabredet und sind ans Mercedes-Benz Museum gekommen, darunter viele Giulias. Und aus einem weißblauen Staat zwischen Italien und Baden-Württemberg rollten mehrere große Coupés und kompakte Sportler nach Stuttgart – sozusagen ein freundschaftlicher Gruß von BMW. Sie alle verstehen sich bestens mit den zahlreichen Mercedes-Benz, die ebenfalls auf dem Museumshügel stehen.
Direkt gegenüber vom Eingang hat Wolfgang ein Plätzchen für seinen Mercedes-Benz 170 Va gefunden. Als die schwarze Limousine im Jahr 1951 gebaut und in Deutschland zugelassen wurde, war sie ein besonderes Automobil in einem Land, das noch vom Wiederaufbau geprägt war. „Im Jahr 2000 habe ich eine Restaurierung bis zur letzten Schraube abgeschlossen, seitdem ist das Fahrzeug wieder auf der Straße“, erzählt der Besitzer. Fast wie vom Band steht der 170 Va da. „Den originalen Bezugsstoff für die Sitze habe ich bei Mercedes-Benz Classic gefunden.“
Wie lange er das Auto denn schon habe? „Eigentlich schon immer und doch immer wieder mal“, kommt eine verschmitzte Antwort. Man könne das nicht so genau sagen, da er sich das Fahrzeug zwischendurch mit einem Freund geteilt habe.
Rund 15.000 Kilometer fährt Wolfgang jedes Jahr mit dem Klassiker. Und erwähnt nebenbei, dass weitere Kilometer mit einem Unimog aus dem Jahr 1949 dazukommen. „Mein Urlaubsfahrzeug. Es kennt jeden Gebirgspass von Wien bis Nizza. Auf der Pritsche schlafe ich unter der Plane.“
Im Jahr 1958 und heute noch hoch elegant: Mercedes-Benz 220 S Cabriolet.
Nicht ganz so viele Kilometer bekommt jährlich das Mercedes-Benz 220 S Cabriolet von Bernd auf die Räder, das am Mercedes-Benz Museum gleich neben dem 170 Va parkt. Aber ein Stehzeug ist es nicht: „So um die 5.000 Kilometer sind es jedes Jahr.“ Er habe lange nach genau diesem Modell gesucht, sagt er, zieht sein Handy aus der Tasche und zeigt ein Schwarzweißfoto aus dem Jahr 1958 mit exakt so einem Cabriolet, einem kleinen Jungen an der Fahrertür und einem Mann an einer Fotokamera. „Das ist mein Vater. Und der Junge bin ich“, freut sich Bernd noch heute.
Aber noch mehr hat er sich gefreut, als er vor einigen Jahren tatsächlich ein 220 S Cabriolet, Baujahr 1958, fand – bei einem Pfandleihhaus im Fränkischen. „Zwei Jahre lang war es dort verwahrt worden und sollte nun verkauft werden“, erzählt Bernd. Eine gründliche Besichtigung? Nicht gestattet. Das Fahrzeug in eleganter Zweifarblackierung in Rot und Weiß war eine Katze im Sack. Doch als sie hinaus durfte, zeigte sich ein vollkommen problemloser Zustand. „Die Batterie war natürlich leer. Und die Bremsen habe ich erneuern lassen. Das war es aber auch schon.“ Selbst das Radio „Becker Europa“ habe funktioniert.
Zeitreise: Das Auto des Vaters (an der Kamera) animierte den Sohn, Jahrzehnte später ebenfalls ein Mercedes-Benz 220 S Cabriolet zu kaufen.
Mobilitäts-Zeitzeugen aus Rüsselsheim, Wolfsburg und Bremen: Opel Ascona, Volkswagen „Käfer“ 1300 und Mercedes-Benz SL der Baureihe R 129 (von rechts nach links).
Classics & Coffee begeistert nicht nur mit edlen Karossen. Auch und gerade einst sehr verbreitete Alltagsfahrzeuge mischen sich darunter und ziehen Blicke auf sich und Besucher an. Weil sie mal genau solche Autos in ihrem Leben hatten. Einen Opel Kadett zum Beispiel. Einen Trabant 601. Oder einen Volvo 760.
Voll alltagstauglich: Martin fährt jedes Jahr 10.000 Kilometer mit seinem 300 SL Roadster.
Eine klassische Farbkombination zeigt ein 300 SL Roadster: außen Silber, innen Rot. Auffallend allerdings ist die Patina, denn die Karosserie ist an manchen Stellen stumpf und trägt die ein oder andere kleine Delle. „Jede Beule erzählt eine Geschichte“, sagt Martin, stolzer Besitzer dieses Supersportwagens der 1950er-Jahre, „ich belasse das Fahrzeug bewusst genau so.“ Technisch allerdings sei der Sportwagen auf bestem Stand und mit einigen rückrüstbaren Modifikationen sogar alltagstauglich. „Rund 10.000 Kilometer fahre ich jedes Jahr mit dem Roadster.“
Zwölf Zylinder und Turbinenrad-Felgen. Ein Lorinser CL 60 aus dem Jahr 2003.
Markus und Charlotte haben vielleicht die weiteste Anfahrt heute: Das junge Paar ist im CL 60 aus Strömsund in Schweden angereist. Ein Japan-Reimport mit nur 4.500 Kilometern auf der Uhr. Das von Lorinser bearbeitete Fahrzeug von 2003 verbindet Hochleistung mit edlem Ambiente. „Wir waren vor ein paar Jahren schon einmal bei ‚Classics & Coffee‘“, berichtet Charlotte, „mit unserem BMW M3. Da haben wir gesagt: Das nächste Mal kommen wir im Mercedes-Benz.“ Voilà, da sind sie, und sie verbinden es mit einer Urlaubswoche in Deutschland und sicherlich diversen flotten Kilometern auf der Autobahn.
Sportlich kann es auch Peter angehen lassen, der mit viel Hingabe und noch mehr Arbeitseinsatz seinen Volkswagen Polo der ersten Generation in ein automobiles Kunstwerk verwandelt hat. 1989 hat er ihn gekauft – und kein Detail unverändert gelassen. „Sechzehnventil-Motor, Fünfganggetriebe, Sportfahrwerk, Hi-Fi-Anlage und noch viel mehr“, zählt er auf. „Fünf Jahre hat der Umbau gedauert. Ich wollte den Polo zu einem Gruppe-A-Fahrzeug machen.“ Daraus spricht echte Motorsport-Begeisterung.
„Leistung: genug“, sagt Peter zu seinem Polo mit einem Leergewicht von 840 Kilogramm.
Von Stuttgart nach Japan und zurück: Porsche 968 aus dem Jahr 1992.
Aus der Nähe blinzelt ein Porsche 968 Cabriolet den Austin Healey an. Auch er ist ein Reimport aus Japan, wie Ernst aus Stuttgart mit leuchtenden Augen verrät. „Schauen Sie mal in den Motorraum, da sind noch die japanischen Aufkleber zu sehen. Und die Bedienungsanleitung ist ebenfalls auf Japanisch. Kein Wort verstehe ich“, lacht er. „Sogar japanische Münzen habe ich im Innenraum gefunden.“ Die sind jetzt in einer Hülle konserviert und liegen nach wie vor in dem Klassiker aus dem Baujahr 1992.
Britisches Flair versprüht beispielsweise ein weißer Austin Healey 100/6 aus dem Jahr 1958. „The Pig“ hatte Pat Moss, die Schwester von Sir Stirling Moss und ebenfalls eine versierte Rennfahrerin, einst den Roadster wegen seines Fahrverhaltens getauft. „Bretthart ist der. Aber so ein Klassiker ist nie ein Vernunftkauf“, sagt sein Besitzer Frank, „Emotionalität gibt immer den Ausschlag.“ Er habe als Student so ein Fahrzeug gesehen – und sich 1987 den Traum vom eigenen Austin Healey verwirklicht.
Britisches Flair: Austin Healey 100/6, genannt „The Pig“.
Opulenter Kombi: der VW Passat Variant von Maria und Hans.
Oder einen Volkswagen Passat Variant, wie bei Hans und Maria. Sie kauften den Kombi vor 19 Jahren als damals sechs Jahre alten Gebrauchtwagen. Jahrelang hat er die Familie bei allen Touren begleitet. Und wuchs allein über die Verweildauer mit der Zeit in seine heutige Rolle als Klassiker hinein. Zugegeben, es ist eine besondere Ausführung: „Ein VR6, also mit Sechszylindermotor“, erzählt Hans. „Es ist ein ehemaliges Versuchsfahrzeug von VW. Alles, was es an Ausstattung gab, ist enthalten.“ Alles sei original, nur habe er Sportsitze montiert. Denn auf dem glatten Leder der ursprünglichen Sitze sei man in Kurven immer hin- und hergerutscht. „Wir fahren gern zu Treffen“, ergänzt seine Ehefrau Maria. „Wobei in diesem Jahr ja viele wegen Corona ausfallen. Nur das hier eben nicht.“
Selten ist auch der „Adenauer“ oben auf dem Hügel. Die meisten dieser sehr repräsentativen Mercedes-Benz 300 dürften in den 1950er-Jahren einen schwarzen Lack erhalten haben – dieser trägt ein mildes Grün. „Das ist der originale Farbton“, sagt Max, der schon vor seinem Ruhestand beruflich an Autos schraubte. „Vor 30 Jahren habe ich den Wagen in Schweden bei einer Dienstreise in einem Schneehaufen gesehen“, berichtet er und zeigt ein Foto von damals sogar noch mit einem Schneerest auf dem Autodach.
„Eine neue Batterie hat genügt, schon lief die Limousine. Als sie dann in Deutschland war, habe ich sie komplett restauriert.“ Seine Begeisterung überträgt sich auf die Umstehenden, sie nicken anerkennend. „Classics & Coffee“ verbindet einfach Besucher und Fans.
„TÜV neu, ohne Mängel“: Diesen Zettel trägt der Mercedes-Benz 180 aus dem Jahr 1955 – und viele Zeitspuren.
So fällt es auch schwer, angesichts der außerordentlichen Vielfalt einen persönlichen Liebling zu küren. Vielleicht der weiße Unimog 1300 dort hinten? Oder der opulente BMW V8 „Barockengel“? Der Käfer 1300, Baujahr 1966 und somit 54 Jahre alt, in erster Hand und mit gerade einmal 45.000 Kilometern auf der Uhr? Für dieses Mal fällt die Wahl auf einen Mercedes-Benz 180 aus dem Jahr 1955, eine „Ponton“-Limousine. So, wie sie vor dem Museum steht, könnte sie gerade eben nach beträchtlichen Jahren aus einer Scheune gerollt sein. Der Lack ist stumpf, Roststellen sind sichtbar, die Chromzier verblasst. Das Fahrzeug trägt die Würde des Alters – und einen Zettel, auf dem lapidar steht: „TÜV neu, ohne Mängel.“