Wer das Mercedes-Benz Museum besucht, entdeckt die Vielfalt von Ausstellung und Architektur stets aus einer ganz individuellen Perspektive. Aber welche Schwerpunkte des Museums, welche Geschichten rückt diese persönliche Wahrnehmung in den Fokus? Das verrät heute: Benedikt Weiler, seit 2012 Kurator des Mercedes-Benz Museums.
„Als Kurator kenne ich das Mercedes-Benz Museum und seine Exponate aus allen Blickwinkeln. Schlüssel zu den ausgestellten Fahrzeugen gibt es natürlich, die befinden sich in einem Kasten bei uns im Büro. Das ist wie ein Museum im Kleinen, über die Epochen hinweg. Den größten Schlüssel hat das mobile Postamt im Omnibus O 10000 aus der ‚Galerie der Lasten‘ im Collectionsraum 2. Der ist bestimmt dreimal so lang wie ein moderner Zündschlüssel. In unsere Traumwagen würden sich vor allem die Autoliebhaber gern hineinsetzen, doch das geht natürlich nicht.“
Türöffner zur Geschichte der Mobilität: Rund 130 Schlüssel gibt es für die Tür-, Kofferraum- und Zündschlösser der verschiedenen Fahrzeuge in der Dauerausstellung des Mercedes-Benz Museums.
Jede Epoche der Automobilgeschichte verwendet andere Materialien: von Holz und Messing bis zu Aluminium und Kunststoff aller Art. Auch das macht die Ausstellungsstücke im Mercedes-Benz Museum so vielfältig. Foto des Mythosraums 3: „Umbrüche – Diesel und Kompressor, 1914 bis 1945“.
„Es ist toll, hier zu arbeiten. Das Museum wird in jedem Jahr von fast einer Million Menschen aus aller Welt besucht. Das ist eine echte Herausforderung. Und zwar vor allem aus konservatorischer Sicht: Die Klimaanlage muss so eingestellt sein, dass die Gäste sich wohlfühlen, aber auch so, dass die historischen Automobile mit ihrem Mix aus unterschiedlichsten Materialien keinen Schaden nehmen. Das ist ein echter Balanceakt.“
„Das 2006 am heutigen Standort eingeweihte Mercedes-Benz Museum kenne ich von Anfang an: Während meines Maschinenbaustudiums war ich Praktikant bei Mercedes-Benz Classic und habe mit angepackt, als die Exponate ins Museum eingebracht worden sind. 2012 bin ich dann Kurator geworden. Die Technik der ausgestellten Konstruktionen zu verstehen ist unverzichtbar: Wenn ich zum Beispiel den authentischen Nachbau des Benz Patent-Motorwagens für Vorführungen starte, weiß ich genau, was im Motor passiert und kann den Ablauf auch erklären.“
Das Schwungrad des Benz Patent-Motorwagens im Mythosraum 1 des Mercedes-Benz Museums (links) und Benedikt Weiler auf der Fahrersitzbank der Motorkutsche von Gottlieb Daimler.
Der riesige Krankorb des Mercedes-Benz Museums bei der Einbringung des mobilen Postamtes im Omnibus O 10000 vor der Eröffnung des Museums im Jahr 2006.
„Für das Publikum lebt das Museum, wenn es geöffnet ist. Aber gerade an den Montagen, das ist unser Schließtag, wird hier besonders viel gearbeitet. Dann können wir zum Beispiel mit dem Spezialkran Fahrzeuge in der Dauerausstellung auswechseln. Der Krankorb ist 3,50 Meter breit, 20 Meter lang und wiegt 20 Tonnen. Ins Atrium schwebt er auf Luftkissen, um den Boden zu schonen. Dann wird er in die Seile eingehängt und bis zu 20 Tonnen können hochgezogen werden.“
„Es gibt jede Menge Türen in unserem Museum, die von der Ausstellung in andere Bereiche führen. Oft fällt das den Besuchern kaum auf. Da sind zum Beispiel die riesigen Tore in den Collectionsräumen, durch welche wir Fahrzeuge ein- und ausbringen.
Im Raum selbst sind das schlichte weiße Türen. Zum Atrium hin sind die Türflügel so bemalt, dass sie genauso aussehen wie die Betonwände.“
Ab in den Urlaub: Das T-Modell der Mercedes-Benz Baureihe 123 mit dem liebevoll in Szene gesetzten Urlaubsgepäck im Stil der späten 1970er-Jahre gehört zu den Favoriten von Benedikt Weiler.
„Im Mercedes-Benz Museum entdecken unsere Besucher immer wieder neue Szenen aus der Mobilitätsgeschichte. Manchmal muss man ganz genau hinschauen. Wie zum Beispiel beim T-Modell der Baureihe 123 in der ‚Galerie der Reisen‘: Dieser Mercedes-Benz 300 TD ist mit vielen zeitgenössischen Requisiten in Szene gesetzt – unter anderem Kassettenrekorder, Quartett, Koffer und Wasserball. Er erzählt eine eigene Geschichte und ist eines meiner Lieblingsexponate.“
„Der Collectionsraum 5 zeigt wechselnde Ausstellungen. Bis Herbst 2020 lief die Sonderausstellung ‚G-Schichten‘ zu 40 Jahren G-Klasse. Der G ist noch so ein Auto, das ich besonders mag.“
Helden und Geländeklassiker: Benedikt Weiler im Collectionsraum 5 mit Exponaten der Ausstellung „Helden des Alltags“. Von Oktober 2019 bis voraussichtlich September 2020 ist hier die Sonderausstellung „G-Schichten“ zu 40 Jahren G-Klasse zu sehen.