Schnittmengen zwischen Kunst und Mobilität.

Wer das Mercedes-Benz Museum besucht, entdeckt die Vielfalt von Ausstellung und Architektur stets aus einer ganz individuellen Perspektive. Aber welche Schwerpunkte des Museums, welche Geschichten rückt diese persönliche Wahrnehmung in den Fokus? Das verrät heute: Dr. Ulrike Groos, Direktorin des Kunstmuseums Stuttgart.

„Ich bin Kunsthistorikern und leite seit 2010 das Kunstmuseum Stuttgart. Das Mercedes-Benz Museum habe ich gleich besucht, als ich vor neun Jahren nach Stuttgart gekommen bin – so wie alle Museen in der Stadt. Auf den ersten Blick ist ein Museum, das sich der Mobilitätsgeschichte widmet, sehr anders als ein Kunstmuseum. Aber es gibt trotzdem interessante Schnittmengen.“

Schnittmengen zwischen Kunst und Mobilität: Beim Bezug zwischen Daimler und bildender Kunst denkt Ulrike Groos sofort an die Daimler Art Collection, die Kunstsammlung des Unternehmens. Und im Kunstmuseum Stuttgart ist ein Auto bereits Teil einer Ausstellung gewesen: Dabei ging es um das Thema „Grenzüberwindung“. Die Künstlerin Anahita Razmi hat 2010 ihr Fahrzeug, einen Paykan, in einem zweimonatigen Prozess aus dem Iran nach Deutschland überführt und es im Museum zusammen mit den Zolldokumenten gezeigt.

Inszenierung des Mercedes-Simplex 40 PS als Zentralexponat im Raum „Mythos 2: Mercedes – Die Geburt der Marke, 1900 bis 1914“: Das Fahrzeug steht auf einem Sockel aus Stuckmarmor, darüber erzeugt die Lichtbrechung geschliffener Glaskristalle einen kleinen Sternenhimmel. 

Gelungene Inszenierung.

„Mich interessiert, wie eine Ausstellung ihre Exponate in Szene setzt. Hier zum Beispiel wird mit verschiedenen Materialien, dem schimmernden Messing in dunkler Umgebung und dem Sockel aus Stuckmarmor, dieses Fahrzeug gelungen überinszeniert. Diese Überhöhung passt zur gesamten Raumästhetik. Und sie passt zur Historie, wenn ich erfahre, dass es um das erste moderne Automobil der Welt geht. Die Inszenierung von Objekten ist immer wichtig. Auch die meisten bildenden Künstlerinnen und Künstler haben präzise Vorstellungen, wie ihre Arbeiten präsentiert werden sollen.“

Raum, Licht und Blickachsen.

„Das Museum nutzt sehr gekonnt verschiedene Lichtarten: Kunstlicht in den ‚Mythos‘-Räumen, Tageslicht in den ‚Collection‘-Räumen. Dies unterstützt in beiden Rundgängen die Wahrnehmung der Objekte. Die großen Raumvolumina passen zu den Fahrzeugen als Exponate und lassen sie dreidimensional wirken. Im Kunstmuseum Stuttgart hingegen, in dessen Sammlung sich überwiegend Flachware befindet, also Gemälde, Grafiken, Fotografien, benötigen wir für die Präsentation vor allem Wände, und wir haben kleinere Räume. Ein präziser Umgang mit Licht begünstigt jedoch immer die Erfahrung der Objekte im Raum.“

Licht und Raum: Vom gezielt eingesetzten Kunstlicht in den „Mythos“-Räumen wechselt das Mercedes-Benz Museum zur strahlend hellen Tageslicht-Offenheit in den „Collection“-Räumen. 

Der Supersportwagen Mercedes-Benz 300 SL mit seiner markanten Form gilt als automobile Ikone der 1950er-Jahre.

Ikonen und Erinnerung.

„Es gibt eine Verbindung zwischen Automobilgeschichte und Kunst. Denn in beiden Welten spielen Farbe, Form, Materialität und Design eine wichtige Rolle. Das machen Fahrzeuge wie dieser Mercedes-Benz 300 SL ‚Flügeltürer‘ deutlich. Für solche Entwürfe wird auch der Ausdruck ‚Ikone‘ verwendet, ein zentraler Begriff der Kunstgeschichte, in der er ein Kultbild meint. Er steht dann für ein herausragendes Objekt seiner Zeit, das zur allgemeinen Erinnerung gehört.“

Intuitiv.

„Ganz besonders Kinder und Jugendliche gehen intuitiv durch die Ausstellung und verbinden die Atmosphäre und die Materialien mit einer bestimmten Epoche. Mindestens ebenso wichtig sind die historischen Zusammenhänge, die auf dem Weg durchs Museum über die ‚Illustrierte Chronik‘ erfahrbar werden. Denn hier wird klar: Automobile sind – wie Kunstwerke – auch ein Spiegel ihrer Zeit.“

Die Vitrinen mit historischen Vertiefungen entlang der Rampen von einem „Mythos“-Raum zum nächsten verknüpfen Marken- und Zeitgeschichte.

Bildergalerie.
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