Auf den Straßen von Sri Lanka bringt die Menschen so schnell nichts aus der Ruhe. Dicht an dicht schnauft der Verkehr, Busse und Trucks fahren haarscharf an den Kokosnussständen vorbei. Tuk-Tuks hupen sich durchs Chaos. Mittendrin trampeln Kühe und Wasserbüffel und manchmal steht sogar ein Elefant am Wegesrand. Alles ganz normal.

 

Blickwinkel: Herrliche Aussichten auf die alte Königsstadt Kandy, im Hintergrund der berühmte Tempelsee.

An diesem Mittag aber bleiben die Menschen stehen, zücken die Handys und zeigen staunend auf das, was da vor ihren Augen vorbeirollt. Sogar beim Cricket-Spiel der heimischen Mannschaft gegen die Westindischen Inseln wird das Bild im TV kurz eingeblendet – jemand muss es dem Sender vom Handy aus zugespielt haben: drei klassische Mercedes-Benz, die erhaben durch den Verkehr gleiten. Es sind betörend schöne Autos, so makellos herausgeputzt, als kämen sie frisch vom Band: ein 220 SE Coupé der „Heckflossen“-Baureihe 111, ein
190 SL und eine 170 S Limousine, damals „Innen­lenker“ genannt. Chromblitzende Zierleisten, funkelnde Stoßstangen­hörner, majestätische Kühlerhauben, in denen sich die Palmen spiegeln

Sondergenehmigung: Hier darf nicht jeder vorfahren: das 220 SE Coupé und der 190 SL auf dem heiligen Gelände von Kandy.

An diesem Mittag aber bleiben die Menschen stehen, zücken die Handys und zeigen staunend auf das, was da vor ihren Augen vorbeirollt. Sogar beim Cricket-Spiel der heimischen Mannschaft gegen die Westindischen Inseln wird das Bild im TV kurz eingeblendet – jemand muss es dem Sender vom Handy aus zugespielt haben: drei klassische Mercedes-Benz, die erhaben durch den Verkehr gleiten.    

Es sind betörend schöne Autos, so makellos herausgeputzt, als kämen sie frisch vom Band: ein 220 SE Coupé der „Heckflossen“-Baureihe 111, ein 190 SL und eine 170 S Limousine, damals „Innen­lenker“ genannt. Chromblitzende Zierleisten, funkelnde Stoßstangen­hörner, majestätische Kühlerhauben, in denen sich die Palmen spiegeln.

Am Steuer des 190 SL sitzt Sidath Fernando. Ein Unverbesserlicher, wenn es darum geht, sich in klassische Automobile mit Stern zu verlieben, die Wagen wieder in Hochform zu bringen und anschließend höchstselbst damit über die Pisten von Sri Lanka zu cruisen. In diesen Tagen will er mit Familie und Freunden einige der schönsten Orte der Insel besuchen. Dreimal schon fungierte Sidath Fer­nando als Präsident des Clubs, der einer der aktivsten in Asien ist. Doch bis zum Treffen ist erst mal purer Fahrspaß angesagt. Sidath und die anderen geben Gas, tief und satt erklingen die Motoren – auf nach Süden zur Küste von Bentota!

Die drei Klassiker werden zu Fiktionsmaschinen – zumindest für bleiche Westeuropäer. An einer solchen Traumkulisse muss Deutschland noch arbeiten. Dass umgekehrt die historischen Wagen vor der exotischen Kulisse ein so glänzendes Bild abgeben, ist vor allem einer speziellen Eigenschaft von Sidath geschuldet. Manche nennen es Obsession. Aber bei ihm ist es wohl mehr als das.

„Ich kann nun mal nicht anders“, sagt Sidath. „Ich bin ein Perfektionist. Bei mir geht das ja schon mit den Schuhen los. Ohne polierte Schuhe gehe ich nicht aus dem Haus.“ Nur feinste Schuhcreme kommt für ihn infrage, zudem wienert er seine Treter jeden Morgen selbst. Nötig hätte das der Keksmogul, Unternehmer und Immobilieninvestor aus Colombo ganz sicher nicht. Doch Sidath Fernando, 61, ist ein Großmeister in Sachen Exaktheit. Und da packt man die Dinge am besten selbst an. Schuhe – und Autos erst recht!

Insgesamt 38 Mercedes-Benz Klassiker nennt er sein Eigen, weitestgehend im Originalzustand, die meisten in bester Verfassung. Im tropischen Sri Lanka wahrlich keine leichte Aufgabe. Das feuchtschwüle Klima lässt sogar Panzerschränke rosten. Um hier eine derartig feine Klassikersammlung zu unterhalten, bedarf es fortgeschrittener Aufopferung: „Mit 16 ging es bei mir los: Ich besaß gerade meinen ersten Wagen, fing an, mir Tricks bei Mechanikern abzuschauen. Bald kaufte ich mir meinen ersten Mercedes-Benz, einen 190er-Diesel. Von da an gab es kein Halten mehr.“

Sidath brauchte all diese Teile, um jedes einzelne Exemplar seiner Flotte zu restaurieren und wieder in Topform zu bringen: „Es ist in meinem Blut. Der blanke Irrsinn, aber ich kann einfach nicht anders.“

In Sri Lanka hatte er längst begonnen, selbst zu schrauben, kannte irgendwann jede Zylinderkopf­dichtung beim Namen, jeden Weißwandreifen samt Teilenummer. Seine Sammlung wuchs. Irgendwann leitete er sogar Workshops, gab Tipps, wo man im Ausland alte Originalteile ergattern, wie man die Klassiker am besten restaurieren kann. Schon bald hatte er mit seinem ungebremsten Enthusiasmus eine Klassiker­szene auf Sri Lanka um sich geschart, während 1990 der Club gegründet wurde 

In Sri Lanka gelten Mercedes-Benz seit jeher als Statussymbole. Politiker fahren sie, Geschäftsleute, lokale Berühmtheiten. Allein: Seit der Unabhängigkeit 1948 war und ist der Import alter ausländischer Autos auf der Insel verboten – und zwar bis heute. Im Laufe der Jahre erwarb Sidath darum immer mehr hier verbliebene Originale aus vergangenen Tagen. 

Die fantastischen Vier: Sidath und seine Freunde kurven  über die 18 Bends, berühmte Serpentinen, die sich hoch über dem Dschungel durchs Hill Country winden.

Mit Meerblick: Wer möchte hier nicht bei offenem Verdeck am Steuer sitzen? 

Viele der Fahrzeuge waren vernachlässigt, manche Besitzer hatten sie über Jahre einfach der Hitze und Feuchtigkeit überlassen: Gift für jedes Auto. Doch Sidath reiste geschäftlich nach Europa, auch nach Deutschland – und hatte stets ein paar große, leere Koffer dabei.

„Kaum gelandet“, erzählt er, „fuhr ich erst mal auf den nächsten Schrottplatz, um mir entsprechende Teile für meine Wagen zu besorgen.“ Bald kurvte er quer durch die Bundesrepublik, besuchte Auktionen, baute sich ein Netzwerk autobeseelter Freunde auf, die hatten, was er suchte: Nebelscheinwerfer, Zigarettenanzünder, Chrom- und Motorteile, Ventile, Antennen oder auch die seltenen Haltekordeln für den 170 S. Zu Hause in seinem Lager türmten sich die Trouvaillen, bis sie meterhoch die Regale füllten.

Sidath brauchte all diese Teile, um jedes einzelne Exemplar seiner Flotte zu restaurieren und wieder in Topform zu bringen: „Es ist in meinem Blut. Der blanke Irrsinn, aber ich kann einfach nicht anders.“

In Sri Lanka hatte er längst begonnen, selbst zu schrauben, kannte irgendwann jede Zylinderkopf­dichtung beim Namen, jeden Weißwandreifen samt Teilenummer. Seine Sammlung wuchs. Irgendwann leitete er sogar Workshops, gab Tipps, wo man im Ausland alte Originalteile ergattern, wie man die Klassiker am besten restaurieren kann. Schon bald hatte er mit seinem ungebremsten Enthusiasmus eine Klassiker­szene auf Sri Lanka um sich geschart, während 1990 der Club gegründet wurde – der seither ununterbrochen besteht. 

Gediegen: Die Haltekordeln des 170 S sind eine Rarität – und noch immer perfekt erhalten.

Glücklich: Insgesamt 38 Klassiker mit Stern stehen in Sidath Fernandos Garage vor seiner Villa in Colombo.

Auf seinen Ausflügen in die Weiten des Mercedes-Benz Kosmos grub Sidath immer mehr Nachschub aus: Becker-Radios, Scheibenwischer, Starktonhörner, unangetastete Originalgriffe für das Handschuhfach seines Roadsters. Denn der Import von Ersatzteilen war stets erlaubt. So wuchs nicht nur seine Sammlung, er konnte so auch den Zustand seiner Schmuckstücke ständig weiter verbessern. Schraube für Schraube, Zierleiste für Zierleiste. Ein Multimillionär, der bis heute am liebsten kopfüber hinter seinen Motorhauben abtaucht oder kontemplativ eine gepolsterte Sonnenblende montiert, die er irgendwo in einem noch besseren Zustand ausgegraben hat. Was soll man sagen?     
Sidath Fernando ist der Mann mit dem gewissen Drive.

Unter einer Palme am berühmten Leuchtturm von Dondra Head parkt er am Nachmittag seinen 190 SL, steigt aus und steht in der heißen Tropensonne, direkt neben dem Wagen. Ein Mann, ein Auto. So ließe sich die Szene betiteln – stünden zu Hause in seiner Garage nicht noch 37 weitere Sternenträume.

Am nächsten Morgen fährt die Gruppe weiter. Die anderen Wagen steuern Sidaths Tochter Kushali und Amrit Alles, ein Freund der Familie, dessen Vater einer der Mitbegründer des Clubs war. Kushali ist 21, Amrit 27. Sie gehören zur jungen Generation der Klassiker-Aficionados. Amrit studierte in Australien, wo er sich seinen ersten eigenen Mercedes-Benz finanzierte und dafür Tausende Kilometer durch Down Under fuhr.

Herzensangelegenheit: Sidath Fernando und Amrit Alles beim Fachsimpeln. Wenn es um Klassiker geht, sind die Männer konzentriert bei der Sache.

Familienbande: Sidath Fernando und seine Tochter Kushali posieren mit ihrem 170 S vor dem Sri Dalada Maligawa – hier wird nichts Geringeres aufbewahrt als der heilige Eckzahn Buddhas.

Schrauben, schleifen, flexen, lacken – auch Amrit kennt sich damit aus. Heute kümmert er sich mit seinem Bruder um die Wagen seines Vaters, er selbst ist auf Sri Lanka im Besitz dreier Mercedes-Benz, darunter ein 190 SL von 1957 und ein 230 TE von 1985. „Rosie“ nennt er den ersten seiner Lieblinge, „Hendricks“ den zweiten. „Der dritte hat noch keinen Namen“, sagt Amrit. „Den bekommt er erst, wenn ich ihn fertig restauriert habe.“ Am Mittag kurven die drei Mercedes-Benz durch das historische Galle Fort, wegen seiner Kolonialarchitektur Weltkulturerbe. Altehrwürdige Bauten, schicke Boutique-Hotels und hippe Cafés haben das einstige Handelsviertel zu einem Hotspot auf Sri Lanka gemacht. Mit dunkler Sonnenbrille lenkt Kushali, Sidaths jüngere Tochter, das Heckflossen-Coupé durch die Gassen, vorbei am Leuchtturm und an Felsen. „Die Klassiker liegen mir sehr am Herzen, vor allem die blauen“, sagt sie. Als kleines Mädchen habe sie die Wagen zusammen mit ihrem Vater gewaschen, per Hand.

Und dann erinnert sie die Fahrten zur Großmutter. „Über 17 Jahre lang sind wir jeden Sonntag mit einem der Autos zu meiner Oma gefahren, um sie zu besuchen. Oft durften meine Schwester und ich vorn sitzen, das war immer zauberhaft und aufregend.“ Tags darauf fahren sie hoch ins kühlere Hill Country, wo grüne Teeterrassen leuchten, der Dschungel dichter wird und immer wieder freche Makaken auftauchen. Die Wagen halten am Sri Dalada Maligawa, jenem Tempel, in dem laut Überlieferung der linke Eckzahn Buddhas aufbewahrt wird. Als Nächstes steuert die Gruppe über die legendären 18 Bends, Serpentinen, die sich wie eine kilometerlange Kobra durch die Berge winden. Bei Sigiriya stößt ein alter Freund von Sidath zur Gruppe: Nigel Austin, 76, ein weiterer Gründer des Markenclubs und Diamantenfabrikant. Seine maßgeschliffenen Edelsteine gehen zu den berühmten Uhrenmarken in die Schweiz, doch nichts funkelt für Nigel so schön wie „die Sterne auf den Kühlerhauben“. 

Turnverein: Überall flitzen die Makaken – die frechen Ceylon-Hutaffen klettern sogar auf die Dächer der Städte.

Und dann erinnert sie die Fahrten zur Großmutter. „Über 17 Jahre lang sind wir jeden Sonntag mit einem der Autos zu meiner Oma gefahren, um sie zu besuchen. Oft durften meine Schwester und ich vorn sitzen, das war immer zauberhaft und aufregend.“ Tags darauf fahren sie hoch ins kühlere Hill Country, wo grüne Teeterrassen leuchten, der Dschungel dichter wird und immer wieder freche Makaken auftauchen. Die Wagen halten am Sri Dalada Maligawa, jenem Tempel, in dem laut Überlieferung der linke Eckzahn Buddhas aufbewahrt wird. Als Nächstes steuert die Gruppe über die legendären 18 Bends, Serpentinen, die sich wie eine kilometerlange Kobra durch die Berge winden. Bei Sigiriya stößt ein alter Freund von Sidath zur Gruppe: Nigel Austin, 76, ein weiterer Gründer des Markenclubs und Diamantenfabrikant.  

Starker Auftritt: Auch wilde Elefanten defilieren in Sri Lanka gerne mal am Straßenrand entlang.

„Ich liebe diese Autos“, sagt er, „und noch lieber fahre ich meinen 1997er CL 600 oder meinen 2010er S 63 AMG.“ Doch auch er weiß, dass die Klassiker irgendwann in die Hände der jungen Generation gelegt werden müssen. „Und dafür reicht es nicht, sie fahren zu wollen“, weiß Nigel. „Was du brauchst, das ist echte Passion.“ Er setzt sich jetzt in das Heckflossen-Coupé und betätigt das Gaspedal. Im Konvoi fahren sie die drei Wagen zurück nach Süden, zwei Generationen, eine Leidenschaft und über allem der tropisch-milde Zauber Sri Lankas. Neben den Reisfeldern am Mahaweli-Fluss steht ein Elefant am Straßenrand. Er schwenkt den Rüssel, dreht den Kopf. Bis die Heckleuchten hinter der nächsten Biegung in Richtung der Hauptstadt Colombo verschwinden. Es ist Zeit für den Showdown zum Sonnenuntergang am Indischen Ozean.

Kein Zufall: 20 Sterne am Strand.

Auf der Fahrt durch Colombo stoßen immer mehr Autos zu Sidaths Gruppe. Sie fahren gemeinsam nach Port City, zum Saum des Meeres. Es ist kurz vor Sonnenuntergang, als sich genau 20 Sterne am Strand in Formation aufstellen. Es sind nicht zufällig genau 20 Fahrzeuge. Es sind so viele, weil das Classic Magazin mit dieser Ausgabe seinen 20. Geburtstag feiert. Danke schön für die äußerst charmante Aufwartung, lieber Mercedes-Benz Club Sri Lanka! Die Besitzer und Freunde der automobilen Preziosen, dieser rollenden Kulturgüter, die sie alle miteinander verbinden, betrachten das imposante Bild der Zusammenkunft von außen – von einer Art Empore.

Gegen sechs Uhr versinkt die Sonne im Meer. Sidath Fernando, Tochter Kushali, Amrit Alles, Nigel Austin und all die anderen genießen einfach nur diesen Moment hier unten am Ozean. Die Sterne an diesem Abend, an diesem Strand, sie stehen wirklich gut.

Sonderklasse: 20 funkelnde Sterne parken am Meer in Formation – ein fast magischer Moment.